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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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dafür. Gut, Maxim, mein Freund, armes Kanonenfutter, schlaf jetzt. Er erteilte sich diesen Befehl und schlief auf der Stelle ein.
    Im Traum sah er die Sonne, den Mond, die Sterne. Alle auf einmal, so ein seltsamer Traum war das.
     
    Ihm war nur kurze Ruhe vergönnt. Der Zug hielt, quietschend rollte die schwere Tür zur Seite, und eine kräftige Stimme schnauzte: »Vierte Kompanie, raustreten!« Die Uhr zeigte fünf Uhr morgens, es tagte, war neblig, feiner Regen sprühte. Krampfhaft gähnend und von Kälteschauern geschüttelt, kletterten die Männer der Strafbrigade träge aus dem Waggon. Die Korporale standen schon bereit. Ungeduldig und wütend packten sie die Männer an den Beinen, zerrten sie auf
den Boden, brieten den besonders phlegmatischen eins über und brüllten: »Abteilungsweise antreten! … Wohin willst du, du Vieh? Aus welchem Zug …? He, du mit der Fresse, wie oft soll man’s dir noch sagen …? Was ist denn mit euch da? Lausige Bande!«
    Irgendwie fanden die Abteilungen dann zusammen und nahmen vor den Waggons Aufstellung. Ein armes Würstchen, das sich im Nebel verirrt hatte, lief umher und suchte seinen Zug - von allen Seiten schrie man auf ihn ein. Und Sef, unausgeschlafen und schlecht gelaunt, krächzte mürrisch, aber vernehmlich: »Nur zu, nur zu, stellt uns auf, wir fechten euch heute richtig was aus!« Ein Korporal, der gerade vorbeilief, versetzte ihm eine Ohrfeige, woraufhin Maxim seinen Fuß vorstreckte - und schon lag der Korporal im Dreck. Die Männer lachten laut und voller Genugtuung los. »Brigade, stillgestanden!«, brüllte ein Unsichtbarer. Mit sich überschlagenden Stimmen trugen die Bataillonskommandeure das Kommando weiter. Dann griffen es die Kompaniechefs auf. Die Zugführer aber hasteten immerzu hin und her, denn keiner stand still: Die Strafsoldaten hatten die Hände in die Ärmel gesteckt, waren vor Kälte ganz in sich zusammengekrochen und tänzelten auf der Stelle, und die Glücklichen, die mit Reichtümern gesegnet waren, rauchten. In den Reihen wurde gemunkelt, dass man ihnen heute bestimmt wieder nichts zu fressen gebe und sie sich doch einfach zum Teufel scheren sollten mit ihrem Krieg. »Brigade, rührt euch!«, schrie nun Sef laut. »Zur Pause wegtreten!« Die Mannschaften wollten schon auseinanderlaufen, als die Korporale abermals hin und her hetzten, und man auf einmal glänzende schwarze Mäntel sah: An den Waggons entlang kamen Gardisten gerannt, in auseinandergezogener Reihe, die Maschinenpistolen im Anschlag. Erschrockenes Schweigen folgte, die Mannschaften nahmen hastig Aufstellung, richteten sich aus. Jemand von den Strafsoldaten faltete nach alter Gewohnheit
sogar die Hände hinter dem Kopf und stellte sich breitbeinig hin.
    Eine eiserne Stimme tönte leise, aber gut vernehmbar aus dem Nebel: »Wenn einer von euch Saukerlen das Maul aufreißt, wird geschossen.« Alle erstarrten. Die Minuten zogen sich, schleppten sich dahin, voller Anspannung und böser Erwartung. Der Dunst lichtete sich nun etwas, ließ ein schäbiges Bahnhofsgebäude, feuchte Schienen und Telegrafenmasten erkennen. Rechts, vor der Front der Brigade, hob sich dunkel eine kleine Gruppe von Männern ab. Sie sprachen leise miteinander, dann bellte jemand gereizt: »Befehl ausführen!«
    Maxim schielte nach hinten. Dort standen reglos die Gardisten, starrten misstrauisch und hasserfüllt unter ihren Kapuzen hervor.
    Aus dem Grüppchen löste sich eine plumpe Figur im Tarnanzug. Es war der Befehlshaber der Strafbrigade, Ex-Oberst der Panzertruppen Anipsu, degradiert und in Haft genommen wegen Schwarzhandels mit staatlichem Kraftstoff.
    Er stellte sich vor die Soldaten, fuchtelte mit seinem Stock, riss den Kopf herum und begann seine Rede: »Soldaten! Nein - ich habe mich nicht versprochen: Ich wende mich an euch als Soldaten, obwohl wir alle - ich inbegriffen - noch immer den Abschaum der Gesellschaft bilden. Seid dankbar, dass man euch erlaubt, an den heutigen Kämpfen teilzunehmen. In einigen Stunden werdet ihr fast alle krepiert sein, und das ist gut so. Diejenigen aber, die davonkommen, erwartet ein herrliches Leben: Verpflegung nach Soldatensatz, Schnaps und so weiter. Gleich werden wir Stellung beziehen, und ihr steigt in eure Fahrzeuge. Verlangt wird eine Kleinigkeit - etwa hundertfünfzig Kilometer auf den Ketten vorzudringen. Zu Panzerschützen taugt ihr wie Flaschen zum Hammer, das wisst ihr selbst, aber dafür ist alles, was ihr bekommt, euer. Nehmt es. Das sage ich euch, euer

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