Gesammelte Werke 1
Sträflingen aufs Maul zu schlagen.«
Die Kolonne zwängte sich in eine der Lücken zwischen den Panzerreihen und stoppte. Es wurde schwierig, sich zu unterhalten. Direkt auf dem Boden hatte man riesige Lautsprecher aufgestellt, aus denen ein sonorer Bass vom Tonband verkündete: »Dort, hinter dem Hang der Talsenke, wartet der tückische Feind. Nur vorwärts, vorwärts. Die Hebel anziehen - und vorwärts. Gegen den Feind … Dort, hinter dem Hang der Talsenke, wartet der tückische Feind. Nur vorwärts, vorwärts. Die Hebel anziehen - und vorwärts …« Mitten im Wort brach die Stimme, und der Oberst brüllte los. Er stand auf
dem Kühler seines Geländewagens, die Bataillonsführer hielten ihn an den Beinen fest.
»Soldaten!«, brüllte der Oberst. »Genug die Zunge gewetzt. Vor euch stehen die Panzer. An die Maschinen! Vor allem die Fahrer, auf die anderen pfeif ich. Jeder aber, der zurückbleibt …« Er holte seine Pistole hervor und zeigte sie hoch. »Klar, ihr verlausten Schweine? Meine Herren Kompanieführer, bringen Sie die Besatzungen zu den Panzern!«
Sie drängten durcheinander. Der Oberst, der auf dem Kühler hin und her schwankte, grölte noch immer, war aber nicht mehr zu hören, weil die Lautsprecher wieder vom Feind faselten, der auf sie warte … Alle Strafsoldaten stürzten nun zur dritten Panzerreihe, wo es zu einer Prügelei kam. Beschlagene Stiefel wirbelten durch die Luft; die graue Menge wimmelte um die Panzer. Einige setzten sich nun ruckelnd in Bewegung, und die Soldaten, die noch darauf herumkletterten, stürzten hinunter. Der Oberst war vor Anstrengung blau angelaufen und gab über die Köpfe hinweg einen Schuss ab. Sofort liefen aus dem Wald in schwarzer Kette die Gardisten herbei.
»Gehen wir.« Maxim nahm Gai und Sef fest bei den Schultern und führte sie im Laufschritt zu einem Panzer am äußersten Rand der ersten Reihe; er war voller Flecken, dunkel und ließ das Rohr kraftlos hängen.
»Warte«, stammelte Gai verwirrt und blickte sich um. »Wir gehören doch zur vierten Kompanie, die steht da hinten, in der zweiten Linie.«
»Komm schon, los, komm!« Maxim wurde ärgerlich. »Vielleicht willst du auch noch den Zug befehligen?«
»Einmal Soldat, immer Soldat«, knurrte Sef.
Plötzlich packte jemand Maxim hinten am Gürtel. Ohne hinzusehen, versuchte er, sich wieder loszureißen, aber es gelang ihm nicht. Er drehte sich um. Mit einer Hand an ihn geklammert, mit der anderen die blutige Nase wischend, humpelte
das vierte Besatzungsmitglied hinter ihm her: der Fahrer, ein Krimineller mit dem Spitznamen »Haken«.
»Ach«, sagte Maxim. »Dich hatte ich ganz vergessen. Los, los, nicht zurückbleiben.«
Er ärgerte sich, dass er in dem ganzen Durcheinander seinen vierten Mann vergessen hatte, dem laut Plan eine nicht unbedeutende Rolle zukam. Doch nun knatterten die Maschinenpistolen der Garde los, sprangen pfeifend Kugeln über die Panzerungen. Sie duckten sich und rannten weiter. Hinter ihrem Panzer blieben sie stehen.
»Hört auf mein Kommando!«, befahl Maxim. »Haken, wirf den Motor an. Sef, in den Turm! Gai, überprüfe die unteren Luken. Aber sorgsam, sonst reiß ich dir den Kopf ab!«
Er ging um den Panzer herum und untersuchte die Ketten. In der Nähe wurde geschossen und gebrüllt, die Lautsprecher brabbelten monoton, aber Maxim hatte den festen Vorsatz, sich durch nichts ablenken zu lassen. Gerade schärfte er sich ein: »Lautsprecher - Gai - nicht vergessen«. Die Ketten waren mehr oder weniger in Ordnung, aber die Antriebsräder machten ihm Sorge. Was soll’s, dachte er, wird schon gehen, lange will ich ja nicht mit ihm fahren. Gai kroch geschickt unter dem Panzer hervor, schmutzig und mit zerschundenen Händen.
»Die Luken sind eingerostet!«, rief er. »Ich habe sie nicht zugemacht, sollen sie offen bleiben. Richtig so?«
»Dort, hinter dem Hang der Talsenke, wartet der tückische Feind!«, mahnte die Tonbandstimme. »Nur vorwärts, vorwärts. Hebel anziehen …«
Maxim packte Gai am Kragen und zog ihn zu sich heran.
»Liebst du mich wie einen Bruder?«, fragte er und blickte seinem Freund fest in die Augen. »Vertraust du mir?«
»Ja«, antwortete Gai.
»Höre nur auf mich. Gehorche sonst niemandem. Alles, was sie sagen, ist Lüge. Ich bin dein Freund, ich allein. Merk dir das. Ich befehle: Merk dir das.«
Gai, ganz verwirrt, nickte ein paarmal und wiederholte leise: »Ja, ja. Ja. Nur du. Sonst niemand.«
»Mak!«, schrie ihnen jemand direkt in die
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