Gesammelte Werke 1
zum Kamm hinauf. Unter seinen Ketten flogen dicke Grasklumpen hervor. Hinter ihnen war durch die dunkle Rauchwolke nichts mehr zu erkennen; vor ihnen breitete sich eine graue lehmige Ebene aus, schimmerten in der Ferne die flachen Hügel auf hontianischer Seite, und die Panzerlawine rollte mit gleichbleibender Geschwindigkeit auf sie zu. Reihen gab es nicht mehr, alle Fahrzeuge rasten um die Wette, stießen einander an, drehten sinnlos ihre Türme. Einer der Panzer verlor in voller Fahrt eine Kette, kreiste dann auf der Stelle und kippte um. Nun riss auch die zweite Kette und flog wie eine schwere, glänzende Schlange durch die Luft; die Triebräder
aber rotierten weiter. Dann sprangen aus den unteren Luken zwei graue Gestalten heraus und liefen, die Arme schwenkend, vorwärts, vorwärts, nur vorwärts gegen den tückischen Feind … Auf einmal blitzte es. Durch das Rasseln und Tosen brach mit einem hellem Knall ein Kanonenschuss, und gleich darauf feuerten auch die anderen Panzer: Lange rote Zungen schnellten aus ihren Rohren. Dann verharrten die Panzer auf der Stelle, stießen dichten schwarzen Qualm aus, und eine Minute später waren sie in einer gelbschwarzen Wolke verschwunden. Maxim schaute zu. Ihm fehlte die Kraft, den Blick von diesem schrecklich absurden, aber grandiosen Schauspiel abzuwenden. Dabei löste er immer wieder geduldig Gais Hände, die ihn wie ein Schraubstock festhielten. Und Gai? Zerrte, rief, beschwor, dürstete danach, ihn, Maxim, mit eigener Brust gegen alle Gefahren abzuschirmen … Menschen, Marionetten, Tiere … Menschen.
Dann besann sich Maxim. Es war an der Zeit, die Steuerung zu übernehmen. Er ließ sich hinuntergleiten, klopfte im Vorübergehen Gai auf die Schulter, klammerte sich an einen Metallbügel und sah sich in dem engen, ruckelnden Kasten um. Fast erstickte er am Gasolingestank. Jetzt entdeckte er Fanks totenbleiches Gesicht mit den verdrehten Augen und Sef, der sich unter dem Granatenbehälter zusammengekrümmt hatte. Er stieß Gai, der ihn wieder bedrängte, zurück und kroch durch zum Fahrer.
Haken hatte die Hebel angezogen und gab Vollgas. Er sang und grölte so laut, dass er das Getöse des Panzers übertönte und Maxim sogar die Worte seines »Dankesliedes« verstehen konnte. Maxim musste ihn jetzt irgendwie zur Ruhe bringen, seinen Platz einnehmen und in all dem Qualm ein geeignetes Versteck finden - einen Hohlweg, eine tiefe Furche oder einen Hügel, wo sie vor den Atomexplosionen Deckung fänden. Aber es lief nicht nach Plan. Kaum hatte Maxim versucht, die verkrampften Fäuste des Fahrers von den Hebeln zu lösen, als
sich der ergebene Gai von der Seite heranschlich und Haken, der seinem Gebieter nicht gehorcht hatte, einen gewaltigen Schraubenschlüssel quer über die Schläfe hieb. Haken rutschte in sich zusammen und gab die Hebel frei. Wütend schleuderte Maxim Gai beiseite, aber es war zu spät. Es blieb keine Zeit für Entsetzen oder Mitleid; er zerrte den Leichnam fort, setzte sich und griff nach dem Steuer.
Durch die Kontrollluke war fast nichts zu sehen - nur ein kleiner Ausschnitt des spärlich mit Gras bewachsenen Lehmbodens und, weiter entfernt, ein dichter dunkler Schleier, der von einem Brand herrührte. Unmöglich, in diesem Rauch etwas auszumachen. Es blieb nur eins: die Geschwindigkeit zu drosseln und so lange vorsichtig weiterzufahren, bis der Panzer die Hügel erreichte. Aber auch das war gefährlich, denn die Atomminen konnten auch vorher explodieren, und dann würden sie erblinden, verbrennen … Gai drängte sich mal von rechts, mal von links an ihn heran, schaute ihn an und lauerte auf Befehle.
»Macht nichts, mein Freund …«, brummte Maxim, als er ihn mit den Ellenbogen zurückschob. »Das geht vorbei … Alles geht vorbei, alles … Hab noch ein wenig Geduld …«
Gai sah, dass Mak etwas sagte, und weinte vor Kummer, dass er wieder, genau wie damals im Bomber, kein einziges Wort verstand.
Der Panzer fuhr jetzt durch dichte schwarze Rauchschwaden. Links brannte ein Soldat. Gleich darauf musste Maxim scharf ausweichen, um nicht über einen von Ketten schon fast zerquetschten Toten zu fahren. Ein schiefer Grenzpfahl tauchte aus dem Qualm auf und verschwand wieder, dann folgten niedergerissene, zerfetzte Drahtsperren. Aus einem fast unsichtbaren Graben reckte sich kurz ein Mann in einem seltsamen weißen Helm, schüttelte wütend seine erhobenen Fäuste und verschwand wieder, als hätte ihn die Erde verschluckt. Der Schleier vor ihnen
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