Gesammelte Werke 1
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saß, drückte mit dem Finger auf eine Taste. Der Bildschirm wurde hell, zeigte aber kein Bild. Zu hören war auch nichts, weil Sandro gerade aus Leibeskräften brüllte: »Eilande, Eilande, Eilande!«, und mit grotesken Verrenkungen versuchte, den unnachahmlichen B. Tuareg nachzumachen, und Aljonna konterte mit dem »Lied ohne Worte« von Glière (oder vielleicht auch nicht von Glière).
»Psst!«, zischte ich, als ich mich zum Videofon durchkämpfte.
Es wurde etwas leiser, doch der Apparat blieb stumm; nur der leere Bildschirm leuchtete. Das war wohl kaum Seine Exzellenz, und ich beruhigte mich.
»Warten Sie, ich nehme den Apparat mit ins andere Zimmer«, sagte ich in das bläuliche Licht hinein.
Im Arbeitszimmer stellte ich das Videofon auf den Tisch, ließ mich in den Sessel fallen und sagte: »Also, hier ist es nicht so laut. Ich möchte Sie übrigens darauf hinweisen, dass ich Sie nicht sehen kann.«
»Verzeihung, ich habe vergessen …«, sagte eine tiefe Männerstimme; dann erschien auf dem Bildschirm ein Gesicht - schmal, bleich, mit tiefen Falten von den Nasenflügeln bis zum Kinn, niedrige breite Stirn, tiefliegende große Augen, schwarzes glattes und schulterlanges Haar.
Merkwürdig, ich erkannte ihn sofort, begriff aber dennoch nicht gleich, wer er war.
»Guten Tag, Mak«, sagte er. »Erkennen Sie mich?«
Ich brauchte ein paar Sekunden, um zu mir zu kommen. Ich war darauf nicht vorbereitet gewesen.
»Verzeihen Sie«, sagte ich gedehnt und überlegte fieberhaft, wie ich mich verhalten sollte.
»Lew Abalkin«, half er mir auf die Sprünge. »Erinnern Sie sich? Saraksch. Die Blaue Schlange …«
»Mein Gott!«, schrie der Journalist Kammerer, vormals Mak Sim. »Ljowa! Und mir hat man gesagt, dass Sie momentan
nicht auf der Erde sind und niemand weiß, wann Sie wiederkommen. Oder sind Sie noch dort?«
Er lächelte. »Nein, ich bin schon hier. Aber anscheinend störe ich?«
»Nein, Sie können mich gar nicht stören!«, sagte der Journalist Kammerer eindringlich. Nicht der Journalist Kammerer, der Maja Glumowa besucht hatte, sondern eher der, der bei dem Lehrer gewesen war. »Ich brauche Sie! Ich schreibe doch ein Buch über die Kopfler!«
»Ja, ich weiß«, unterbrach er mich. »Deshalb rufe ich Sie auch an. Aber, Mak, ich habe doch schon lange nichts mehr mit den Kopflern zu tun.«
»Das ist gar nicht wichtig«, widersprach der Journalist Kammerer. »Wichtig ist, dass Sie der Erste waren, der mit ihnen zu tun hatte.«
»Der Erste waren ja wohl Sie.«
»Nein. Ich habe sie nur entdeckt; das war alles. Außerdem habe ich den Teil über mich selbst schon geschrieben. Auch über die neuesten Arbeiten Komows habe ich das Material beisammen. Sie sehen, Prolog und Epilog sind da, fehlt nur noch eine Kleinigkeit - der Hauptteil … Hören Sie, Ljowa, wir müssen uns unbedingt treffen. Bleiben Sie lange auf der Erde?«
»Nicht sehr lange«, sagte er. »Aber wir sollten uns wirklich unbedingt treffen. Heute wäre mir allerdings nicht so recht.«
»Heute würde es mir auch nicht passen«, beeilte sich der Journalist Kammerer zu sagen. »Aber wie wäre es morgen?«
Eine Zeit lang musterte er mich schweigend. Mir fiel plötzlich auf, dass es mir partout nicht gelingen wollte, die Farbe seiner Augen zu erkennen - sie lagen gar zu tief.
»Erstaunlich«, ließ er sich schließlich vernehmen. »Sie haben sich gar nicht verändert. Und ich?«
»Ehrlich?«, vergewisserte sich der Journalist Kammerer, um überhaupt etwas zu sagen.
Lew Abalkin lächelte erneut.
»Ja«, sagte er. »Zwanzig Jahre ist es her. Und wissen Sie, Mak, ich erinnere mich dieser Zeit als der glücklichsten in meinem Leben. Alles lag noch vor mir, alles fing gerade erst an. Und wissen Sie, mir fällt diese Zeit gerade jetzt wieder ein, und ich denke: Was hatte ich für ein Glück, dass ich unter der Leitung solcher Leute wie Komow und Ihnen begonnen habe, Mak …«
»Na, Lew, übertreiben Sie nicht«, sagte der Journalist Kammerer. »Warum denn ich?«
»Was heißt - warum ich? Komow war der Leiter, Rowlingson und ich standen auf Abruf bereit, aber die ganze Koordination haben doch Sie erledigt!«
Der Journalist Kammerer riss die Augen auf. Ich auch, aber ich wurde darüber hinaus auch noch misstrauisch.
»Lew, mein Lieber«, sagte der Journalist Kammerer. »Sie haben, unerfahren wie Sie waren, die damaligen Unterstellungsverhältnisse anscheinend überhaupt nicht durchschaut. Das Einzige, was ich seinerzeit für euch
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