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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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der breit und einladend offen steht.
    »Spielzeug!«, flüstert Pritulatan andächtig, fängt an zu zappeln und will hinunter.
    Erst jetzt sehe ich, dass die Schatulle gar nicht mit Kostbarkeiten gefüllt ist, sondern mit buntem Spielzeug, mit Hunderten und Tausenden bunter, überaus plumper Spielsachen: riesigen Puppen in grellen Farben, hässlichen Holzautos und einer Unmenge bunten Kleinkrams, der aus dieser Entfernung nicht zu erkennen ist.
    Der kleine begabte Pritulatan fängt an zu quengeln und zu betteln, dass wir alle in dieses Zauberhaus hineingehen sollen. Es macht nichts, dass der Papi es verboten hat; wir schauen nur mal ganz kurz hinein, nehmen das Lastauto da, und dann
warten wir gleich auf die guten Menschen … Ijadrudan versucht, ihn zum Schweigen zu bringen, zuerst mit Worten, und dann, als das nicht hilft, indem er ihm das Ohr verdreht. Aus dem Gequengel wird augenblicklich lautes Weinen. Der Translator verteilt auch weiterhin ungerührt Säcke voller »Schlangen mit Rattenohren« in die Umgebung; an Bord schreit Vanderhoeze aufgebracht, wir sollten den Kleinen beruhigen und trösten, bis alle, den begabten Pritulatan eingeschlossen, auf einmal verstummen.
    An der nächsten Ecke steht der bewaffnete Eingeborene von vorhin; seine Hände liegen auf dem Gewehr, das ihm quer über die Brust hängt. Federnd und lautlos kommt er über den blau schimmernden Asphalt direkt auf die Kinder zu. Wepl und mich schaut er nicht einmal an. Er nimmt den still gewordenen Pritulatan bei der linken Hand, Ijadrudan, dessen Miene sich aufgehellt hat, bei der rechten, und führt sie fort, über den Platz geradewegs zu dem leuchtenden Gebäude - zur Mami, zum Papi, zu der unbegrenzten Möglichkeit zu schießen.
    Ich blicke ihnen nach. Alles scheint genauso abzulaufen wie geplant, und doch macht eine Kleinigkeit, irgendeine wichtige Kleinigkeit das Bild zunichte. Ein Wermutstropfen …
    »Hast du’s erkannt?«, fragt Wepl.
    »Was denn?«, antworte ich gereizt, weil es mir einfach nicht gelingt, diese Kleinigkeit zu entdecken, die das ganze Bild verdirbt.
    »Lösch das Licht in diesem Gebäude und schieß ein Dutzend Mal mit einer Kanone drauf.«
    Ich höre ihn kaum, denn plötzlich begreife ich, was da stört. Der Eingeborene geht mit den Kindern an den Händen, und ich sehe, wie das Gewehr im Takt der Schritte vor seiner Brust hin und her schwingt - wie ein Pendel von links nach rechts, von rechts nach links. Aber es dürfte nicht so pendeln. So heftig
kann ein schweres automatisches Gewehr von mindestens fünfzehn Pfund nicht hin und her schaukeln. Nur ein Spielzeuggewehr schaukelt so - eins aus Holz oder Plastik. Dieser »gute Mensch« hat ein falsches Gewehr …
    Es gelingt mir nicht, den Gedanken zu Ende zu denken. Ein Spielzeuggewehr bei einem Eingeborenen. Die Eingeborenen sind Scharfschützen. Vielleicht ist das Spielzeuggewehr aus diesem Spielzeugpavillon … Lösch in diesem Pavillon das Licht und schieß ein Dutzend Mal mit einer Kanone drauf … Das ist ja genauso ein Pavillon … Nein, ich bringe keinen dieser Gedanken zu Ende.
    Links krachen Ziegel herab, zersplittert auf dem Trottoir ein hölzerner Rahmen. Über die hässliche Fassade eines fünfstöckigen Hauses, des dritten von der Ecke, gleitet an den dunklen Fensteröffnungen vorbei ein breiter gelber Schatten - so leicht, so schwerelos; kaum zu glauben, dass hinter ihm her Schichten von Putz und Ziegelbrocken von der Fassade stürzen. Vanderhoeze schreit etwas. Furchterregend, zweistimmig kreischen auf dem Platz die Kinder. Der Schatten aber ist schon auf dem Asphalt - unverändert schwerelos, halb durchsichtig, riesig. Der rasende Lauf von Dutzenden von Beinen ist kaum auszumachen, und inmitten dieses Gewirrs hebt und senkt sich der dunkle Gliederkörper - vor sich hoch erhoben, glänzend, wie lackiert, die Greifscheren … Der Scorcher landet wie von selbst in meiner Hand. Wie ein automatischer Entfernungsmesser bin ich mit nichts anderem beschäftigt, als die Entfernung zwischen der Krebsspinne und den kleinen Gestalten der Kinder zu messen, die schräg über den Platz davonstürzen. (Irgendwo ist da auch noch der Eingeborene mit seinem falschen Gewehr, er läuft ebenfalls so schnell er kann und bleibt dabei etwas hinter den Kindern zurück; aber ich achte nicht auf ihn.) Der Abstand verringert sich rapide, alles ist klar, und als mich die Krebsspinne passiert, schieße ich.

    In diesem Augenblick sind es zwanzig Meter bis zu ihr. Ich habe noch

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