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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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ich. »Mich interessieren alle Einzelheiten Ihrer Begegnung. Sie haben ihm von sich erzählt, von Ihrer Arbeit. Er hat Ihnen von seiner berichtet. Versuchen Sie sich zu erinnern, was genau gewesen ist.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Wir haben über nichts dergleichen gesprochen. Das mutet sicher seltsam an … Wissen Sie, wir hatten uns so viele Jahre nicht gesehen … Erst später, schon zu Hause, ist mir aufgefallen, dass ich gar nichts über ihn erfahren habe. Ich hatte ihn zwar gefragt: Wo warst du, was hast du gemacht, aber er hat nur abgewinkt und gebrüllt, das sei alles Mist, alles Unsinn …«
    »Also hat er Sie ausgefragt?«
    »Aber nicht doch! Das hat ihn alles nicht interessiert … Wer ich bin, wie ich lebe - allein oder mit jemandem zusammen. Wofür ich lebe … Er war wie ein kleiner Junge. Ich will nicht darüber sprechen.«
    »Maja Toivowna, Sie sollen nicht darüber sprechen, worüber Sie nicht sprechen wollen.«
    »Ich will über gar nichts sprechen!«
    Ich stand auf, ging in die Küche und brachte ihr Wasser. Schnell trank sie das Glas aus und verschüttete etwas Wasser auf ihrem grauen Kleid.
    »Das geht niemanden etwas an«, sagte sie, als sie mir das Glas zurückreichte.
    »Sprechen Sie nicht darüber, was niemanden etwas angeht«, sagte ich und setzte mich wieder. »Wonach hat er Sie ausgefragt?«

    »Ich sage Ihnen doch: Er hat mich überhaupt nicht ausgefragt! Er hat erzählt, Erinnerungen ausgegraben, gezeichnet, sich mit mir gestritten … wie ein kleiner Junge. Stellen Sie sich vor, er kann sich an alles erinnern! Fast an jeden einzelnen Tag! Wo er stand, wo ich stand, was Rex gesagt hat, wie Wolf dreinblickte. Ich konnte mich an nichts erinnern, er aber schrie mich an und zwang mich, mein Gedächtnis anzustrengen, und dann erinnerte ich mich. Und wie er sich freute, wenn mir etwas einfiel, was er selbst vergessen hatte.«
    Sie verstummte.
    »Das alles betraf die Kindheit?«, erkundigte ich mich, nachdem ich eine Weile gewartet hatte.
    »Ja gewiss! Ich habe Ihnen doch gesagt, dass das niemanden etwas angeht, nur ihn und mich! Aber er war in der Tat wie von Sinnen. Ich hatte schon keine Kraft mehr, schlief ein, er aber weckte mich und schrie mir ins Ohr: Und wer ist damals von der Wippe gefallen! Und wenn ich mich erinnerte, umschlang er mich mit den Armen, lief mit mir durchs Haus und brüllte: Richtig, genauso ist es gewesen, richtig!«
    »Und er hat Sie nicht gefragt, was jetzt mit dem Lehrer ist, mit den Schulfreunden?«
    »Ich erkläre Ihnen doch in einem fort: Er hat mich nach nichts und nach niemandem etwas gefragt! Sind Sie nicht imstande, das zu begreifen? Er hat erzählt, Erinnerungen hervorgeholt und verlangt, dass auch ich mich erinnerte.«
    »Ja, ich verstehe, ich verstehe«, sagte ich. »Und was meinen Sie, was hatte er weiter vor?«
    Sie schaute mich an wie den Journalisten Kammerer. »Gar nichts, begreifen Sie doch«, sagte sie.
    Und im Allgemeinen hatte sie natürlich Recht. Die Antworten auf die Fragen Seiner Exzellenz hatte ich erhalten: Abalkin interessierte sich nicht für die Arbeit der Glumowa, Abalkin beabsichtigte nicht , sich ihrer zum Eindringen ins Museum zu bedienen. Aber ich verstand überhaupt nicht,
welches Ziel Abalkin verfolgte, als er mit ihr diese Stunden der Erinnerung veranstaltete. Sentimentalität? Ein Tribut an eine kindliche Liebe? Rückkehr in die Kindheit? Daran glaubte ich nicht. Es war irgendein praktisches Ziel gewesen, im Voraus gut durchdacht, und Abalkin hatte es erreicht, ohne bei Maja Glumowa den geringsten Verdacht zu wecken. Mir war klar, dass sie selbst von dieser Absicht nichts wusste. Schließlich hatte auch sie nicht begriffen, was da eigentlich passiert war.
    Und noch eine Frage blieb mir zu klären. Gut, sie hatten sich Erinnerungen hingegeben, sich geliebt, getrunken, sich wieder erinnert, waren eingeschlafen, aufgewacht, hatten sich wieder geliebt und waren wieder eingeschlafen. Was aber hatte Maja Glumowa in solche Verzweiflung getrieben, an den Rand der Hysterie? Hier tat sich natürlich ein weites Feld für unterschiedlichste Mutmaßungen auf. Etwa, was die Gewohnheiten eines Stabsoffiziers des Inselimperiums anging. Aber es konnte auch etwas anderes sein. Und dieses andere konnte sich für mich als durchaus wertvoll erweisen. Einen Moment lang war ich unentschlossen: Entweder ich ließ etwas im Unklaren, was vielleicht sehr wichtig war, oder ich entschloss mich zu einer furchtbaren Taktlosigkeit, auf die Gefahr hin, im

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