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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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verfolgte und all seine Eskapaden mit Maja Glumowa, dem Lehrer und mir nichts weiter waren als meisterhaft produziertes, falsches Material, über dessen Sinn wir uns endlos den Kopf zerbrachen, unsere Zeit darauf verschwendeten und von der Hauptsache hoffnungslos abgelenkt waren.
    »Sieht nicht danach aus«, sagte ich entschieden.
    »Aber ich habe den Eindruck, dass es danach aussieht«, sagte Seine Exzellenz.
    »Sie haben natürlich den besseren Überblick«, erwiderte ich trocken.
    »Zweifellos«, bestätigte er. »Aber leider ist das nur ein Eindruck. Fakten habe ich nicht. Sollte ich mich jedoch nicht irren, dann ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass sich Abalkin in seiner Situation an Wepl erinnert, endlose Mühe darauf verwendet, ihn ausfindig zu machen, anschließend um die halbe Erde reist, dort eine Komödie abzieht - und das alles nur, um noch einen Stein ins Gebüsch zu werfen. Meinst du nicht auch?«

    »Sehen Sie, Exzellenz. Ich kenne seine Situation nicht, und sicher ist genau das der Grund, warum ich Ihren Eindruck nicht teile.«
    »Und was ist dein Eindruck?«, erkundigte er sich mit unerwartetem Interesse.
    Ich versuchte, meinen Eindruck in Worte zu fassen: »Dass er keine Steine ins Gebüsch wirft. Seine Schritte folgen einer bestimmten Logik. Sie stehen miteinander im Zusammenhang. Mehr noch, er geht immer in derselben Weise vor, und er verschwendet weder Zeit noch Mühe, sich eine neue Vorgehensweise zu überlegen. Er schockiert sein Gegenüber mit einer Behauptung und hört sich dann an, was der Schockierte daraufhin zusammenstottert. Er will irgendetwas herausfinden, etwas über sein Leben, um genauer zu sein - über sein Schicksal. Etwas, was man vor ihm geheim hält.« Ich schwieg einen Moment und sagte dann: »Exzellenz, er hat irgendwie erfahren, dass er von einem Persönlichkeitsgeheimnis betroffen ist.«
    Jetzt schwiegen wir beide. Auf dem Bildschirm schwankte die Glatze mit den Sommersprossen hin und her. Ich spürte, dass ich einen historischen Augenblick erlebte. Es war einer der überaus seltenen Fälle, in dem meine Argumente (nicht die von mir beschafften Fakten, sondern tatsächlich Argumente, logische Schlüsse) Seine Exzellenz veranlassten, seine eigene Auffassung zu überprüfen.
    Er hob den Kopf und sagte: »Gut. Besuch Wepl. Aber behalte im Auge, dass du hier am meisten gebraucht wirst, bei mir.«
    »Zu Befehl«, sagte ich und fragte: »Und was ist mit Jašmaa?«
    »Er ist nicht auf der Erde.«
    »Wieso?«, sagte ich. »Er ist auf der Erde. In ›Jans Lager‹, in der Gegend von Antonow.«
    »Er befindet sich schon seit drei Tagen auf der Giganda.«

    »Klar«, sagte ich und gab mir Mühe, ironisch zu sein: »So ein Zufall aber auch! Ist am selben Tage wie Abalkin geboren, auch ein postumes Kind, auch mit einer Nummer versehen …«
    »Gut, gut«, murmelte Seine Exzellenz. »Lass dich nicht ablenken.«
    Der Bildschirm erlosch. Ich trug das Videofon an seinen Platz zurück und ging in den Hof hinunter. Dort schlug ich mich vorsichtig durch das hohe Ebereschengebüsch. Dann trat ich, direkt aus dem hölzernen Abort Doktor Goanneks, hinaus in den nächtlichen Regen am Ufer des Flusses Thelon.

3. JUNI’78
    Der Wachtposten am Flusse Thelon
    Durch das Plätschern des Regens hindurch hörte ich den Fluss rauschen, unsichtbar, aber irgendwo ganz in der Nähe. Unter dem Steilhang, direkt vor mir, glitzerte, nass vom Regen, eine leichte Metallbrücke, über der ein großes Tableau in Lincos leuchtete: Territorium des Volkes der Kopfler. Es sah sonderbar aus, wie die Brücke dort mitten im hohen Gras anfing - es gab keine Zufahrt zu ihr, nicht einmal einen Trampelpfad. Zwei Schritte von mir entfernt drang Licht aus dem einsamen kleinen Fenster eines flachen Rundbaus vom Typ Kaserne-Kasematte. Der Geruch, der von diesem Gebäude herüberwehte, erinnerte mich an den unvergessenen Planeten Saraksch: rostiges Eisen, Aas, lauernder Tod. Wirklich, seltsame Flecken findet man bei uns auf der Erde. Da scheint einem, als sei man zu Hause, kenne alles, und alles sei vertraut und nett - aber nein, früher oder später stößt man ganz sicher auf etwas, was in kein Bild passen will und nichts anderem ähnelt … Aber genug davon. Welche Gedanken weckt das Gebäude in
dem Journalisten Kammerer? Aha, wie sich zeigt, hat er sich darüber bereits eine bestimmte Meinung gebildet.
    Der Journalist Kammerer hat in der gerundeten Wand eine Tür gefunden, sie entschlossen aufgestoßen und sich in einem

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