Gesammelte Werke 1
fest an den Ellenbogen, spannte den eigenen Körper an und versuchte, den Schmerz zu sich überzuleiten. Er war nicht sicher, ob das bei einem außerirdischen Wesen gelingen würde. Er suchte nach Nervenkontakt, aber er fand keinen. Zudem nahm jetzt Fank seine Hände von den Schläfen und versuchte ihn wegzustoßen, obwohl er dazu viel zu schwach war. Dabei murmelte er weinerlich und verzweifelt vor sich hin. Maxim verstand nur: »Gehen Sie, gehen Sie …« Fank war ganz offensichtlich nicht mehr Herr seiner Sinne.
In dem Moment wurde die Fahrertür aufgerissen, und Maxim sah zwei erhitzte Gesichter unter schwarzen Baretten, die sich in den Innenraum schoben; Reihen metallener Knöpfe blitzten auf … Und im selben Moment packten andere, harte und kräftige Hände Maxim an der Schulter, an Arm und Hals und zerrten ihn von Fank weg aus dem Wagen. Maxim sträubte sich nicht, denn er fühlte sich weder aggressiv noch bösartig behandelt - im Gegenteil. Er wurde abgedrängt in
die lärmende Menge und sah, wie zwei Barettträger den zusammengekrümmten Fank zu dem gelben Kastenwagen schleiften, während drei andere Uniformierte die tobenden Massen von ihm fernhielten. Gleich darauf schloss sich der Mob um den ramponierten Wagen und begann grölend daran zu zerren. Dann sah Maxim, wie die Karosse langsam hochgehoben und auf die Seite gewälzt wurde - schon lag sie mit träge kreisenden Rädern auf dem Dach. Ein paar Leute kletterten siegestrunken hinauf, alle sangen und schrien, erfasst von einer rasenden, fanatischen Euphorie.
Maxim wurde immer weiter abgedrängt, bis zu einer Hauswand, wo man ihn rücklings gegen eine nasse Schaufensterscheibe drückte. Er reckte den Hals und beobachtete über die Köpfe hinweg, wie sich der gelbe Kastenwagen in Bewegung setzte. Mit Sirenengeheul und einer Batterie gleißend heller Lichter auf dem Dach bahnte er sich einen Weg durch das Gewimmel von Menschen und Fahrzeugen und verschwand allmählich aus dem Blickfeld.
4
Am späten Abend hatte Maxim genug von dieser Stadt. Er wollte nirgendwo mehr hingehen, sich nichts mehr ansehen. Er hatte Hunger. Den ganzen Tag war er unterwegs gewesen, hatte ungewöhnlich viel zu sehen bekommen und kaum etwas verstanden, durch bloßes Zuhören einige neue Wörter gelernt und sich ein paar der hiesigen Buchstaben durch Schilder und Plakate erschlossen. Fanks Unfall wunderte und verwirrte ihn noch immer, aber er war froh, wieder sein eigener Herr zu sein. Er liebte seine Selbstständigkeit. Sie hatte ihm sehr gefehlt, als er in Nilpferds vierstöckigem Termitenbau
mit schlechter Ventilation saß. Nach kurzem Überlegen beschloss er, für einige Zeit verlorenzugehen. Sicher, Höflichkeit war eine Zier und die Kontaktaufnahme von elementarer Wichtigkeit, aber er brauchte auch Informationen - und eine bessere Gelegenheit, sich selbst ein Bild zu machen, würde es nicht geben …
Die Stadt befremdete ihn. Alles schien sich hier auf dem Boden abzuspielen: Der gesamte Verkehr lief entweder auf oder unter der Erde ab; die gigantischen Räume zwischen und über den Häusern aber blieben leer und ungenutzt - verschenkt an Rauch, Regen und Nebel. Die Stadt war grau, farblos und voller Qualm. Sie war monoton - nicht, was ihre Gebäude betraf, es gab auch schöne darunter; nicht wegen des eintönigen Menschengewimmels auf den Straßen, der unendlichen Nässe oder dem nahezu flächendeckend verlegten Asphalt - nein, die Monotonie war überall und allgegenwärtig. Die Stadt wirkte auf Maxim wie ein riesiges Uhrwerk, in dem sich zwar kein Teilchen wiederholt, aber alle einem stets gleichen, monotonen Rhythmus folgen, sich in ihm bewegen, kreisen, ineinandergreifen und sich wieder lösen. Jede Veränderung dieses Rhythmus würde nur eins bedeuten: Störung, Bruch und Stillstand. Straßen mit hohen steinernen Gebäuden wechselten sich ab mit kleinen Gassen, in denen Holzhäuschen standen; die pulsierenden Menschenmassen mit der Leere weitläufiger Plätze; graue, braune und schwarze Anzüge unter eleganten Capes wechselten mit schäbiger Kleidung unter abgewetzten Mänteln - ebenfalls in grau, braun oder schwarz; der gleichmäßige, dumpfe Lärm wechselte sich ab mit plötzlich einsetzendem wilden und triumphierenden Hupen, mit Rufen und Gesang. All das hing irgendwie zusammen, war fest verzahnt und seit langem durch unbekannte Fäden miteinander verwoben und vorgegeben; nichts hatte an sich eine Bedeutung. Alle Leute sahen gleich aus und handelten gleich. Man
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