Gesammelte Werke 1
Seitentasche und zog eine flache, mit langen weißen Stäbchen gefüllte Schachtel hervor. Eines davon steckte er sich in den Mund, die übrigen reichte er Maxim. Maxim nahm die Schachtel aus Höflichkeit und betrachtete sie. Es war eine einfache Papierschachtel und ihr Inhalt roch scharf nach getrockneten Pflanzen. Maxim nahm eines der Stäbchen, biss davon ab und kaute. Dann öffnete er hastig das Fenster, lehnte sich vornüber und spuckte aus. Das Zeug war ungenießbar.
»Nicht nötig«, sagte er, als er seinem Begleiter die Schachtel zurückgab. »Schmeckt nicht.«
Der Rotäugige starrte ihn mit offenem Mund an. Das weiße Stäbchen klebte in seinem Mundwinkel. Maxim tippte, den regionalen Gepflogenheiten entsprechend, an seine Nasenspitze und stellte sich vor: »Maxim.«
Der Rotäugige murmelte etwas, hielt plötzlich ein Flämmchen in der Hand, tauchte das Ende des Stäbchens hinein und schon füllte sich der Innenraum des Wagens mit abscheulichem Qualm.
»Massaraksch!«, schrie Maxim empört und stieß die Tür auf. »Nicht nötig!«
Er wusste jetzt, was es für Stäbchen waren. Als er mit Gai hierhergefahren war, hatten fast alle Männer die Luft im Waggon mit solchem Qualm verpestet, dazu jedoch keine weißen Stäbchen benutzt, sondern längliche Holzgegenstände, die an altertümliche Kinderpfeifen erinnerten. Sie inhalierten auf diese Weise eine Droge - zweifellos eine sehr gesundheitsschädliche Angewohnheit. Damals im Zug hatte Maxim sich damit getröstet, dass auch der ihm so sympathische Gai diese Unsitte kategorisch ablehnte.
Der Fremde warf sein Drogenstäbchen aus dem Fenster und wedelte mit der flachen Hand vor seinem Gesicht, was auch immer das bedeuten mochte. Für alle Fälle wedelte auch Maxim mit der Hand vor seinem Gesicht und nannte noch einmal seinen Namen. Wie sich erwies, hieß der Rotäugige Fank, und damit war ihr Gespräch beendet. Etwa fünf Minuten lang tauschten sie freundliche Blicke aus, zeigten abwechselnd auf die Lastwagenkolonne und sagten »Massaraksch!«. Dann war die endlose Kolonne zu Ende und Fank bog in die große Chaussee ein.
Wahrscheinlich hatte er es sehr eilig - zumindest beschleunigte er den Wagen mit dröhnendem Motor, schaltete ein markerschütternd lautes, heulendes Gerät ein und raste wie
ein Wahnsinniger über die Schnellstraße. Er überholte die Lastwagenkolonnen und scherte sich dabei weder um Verkehrsregeln noch um Maxims entsetztes Gesicht oder den millimeterknapp vorbeipfeifenden Gegenverkehr.
Als Nächstes überholten sie - am linken Randstreifen entlangschlingernd - einen breiten roten Kutschwagen, dessen Fahrer einsam und vom Regen völlig durchnässt war; passierten ein hölzernes Fuhrwerk mit eiernden Speichenrädern, das von einem seltsamen, urzeitlichen Tier gezogen wurde; trieben mit ihrer Sirene in Regenmäntel gehüllte Fußgänger in den Straßengraben und flogen unter dem tief hängenden Blätterdach einer ausladenden Allee hindurch. Fank erhöhte weiter die Geschwindigkeit, und immer lauter pfiff der Fahrtwind um die Karosserie. Aufgeschreckt vom Sirenengeheul flüchteten die Fahrzeuge vor ihnen auf den Randstreifen, um den Weg freizumachen. Maxim hatte den Eindruck, dass sich der Wagen nicht für dieses Tempo eignete und auf der Straße zu schwimmen begann; er bekam ein flaues Gefühl im Magen.
Endlich tauchten links und rechts der Straße Häuser auf. Sie hatten die Stadt erreicht, und Fank war gezwungen, langsamer zu fahren. Bei seiner Ankunft in der Stadt vor ein paar Tagen waren Maxim und Gai am Bahnhof in einen öffentlichen, völlig überfüllten Bus umgestiegen. Er war mit dem Kopf an die niedrige Decke gestoßen, ringsum wurde geflucht und geraucht, die Nachbarn traten ihm rücksichtslos auf die Füße und stießen ihm die Ellenbogen in die Seiten. Es war spät am Abend, die Fenster des Busses waren verdreckt und verstaubt. Zudem spiegelte sich in ihnen das trübe Licht der Innenbeleuchtung, und so hatte Maxim nichts von der Stadt zu sehen bekommen. Nun aber bekam er Gelegenheit dazu.
Die Straßen waren unverhältnismäßig eng und verstopft vom dichten Verkehr. Eingezwängt zwischen den unterschiedlichsten Fahrzeugen - Autos, Lastwagen, Kutschen und Fuhrwerken
-, kam Fanks Wagen kaum voran. Direkt vor ihnen fuhr ein voluminöser Lastwagen, auf dessen Rückwand sich geschmacklose bunte Schriftzüge und grobe Darstellungen von Menschen und Tieren befanden. Links neben ihnen quälten sich im selben Tempo zwei identische
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