Gesammelte Werke 1
weiß, Sie sagten es. Nur eine Frau und weiter niemand? Und ein Gleiter stand nicht in der Nähe?
Toivo stellte Fragen, Anatoli Sergejewitsch antwortete. Toivo nickte mit wichtiger Miene und ließ sich anmerken, wie wichtig das, was er zu hören bekam, für die Untersuchung sei. Allmählich fasste Anatoli Sergejewitsch wieder Mut, seine Anspannung löste sich, und sie betraten die Veranda nun schon fast als Kollegen.
Auf der Veranda herrschte Unordnung. Der Tisch stand schief, einer der Stühle war umgestürzt, die Zuckerdose war in eine Ecke gerollt und hatte eine Spur von Zuckerkristallen hinterlassen. Toivo fasste den Teekocher an - er war noch heiß. Aus den Augenwinkeln warf er einen Blick auf Anatoli Sergejewitsch. Der war wieder bleich geworden, und seine Kiefermuskeln arbeiteten. Er schaute auf ein Paar Sandalen, die sich verwaist und eng beieinanderstehend unter einem entfernten Stuhl befanden. Offensichtlich waren es seine. Sie waren geschlossen, und man konnte sich kaum vorstellen, wie es Anatoli Sergejewitsch gelungen war, seine Beine dort herauszuziehen. Aber weder auf- noch unter ihnen, noch daneben sah Toivo irgendwelche Spuren einer Flüssigkeit.
»Haushaltskyber mögen sie hier anscheinend nicht«, bemerkte Toivo nüchtern, um Anatoli Sergejewitsch aus dem durchlebten Schrecken in den Alltag zurückzuholen.
»Ja«, murmelte der. »Das heißt … Ja, wer mag die schon heutzutage. Sehen Sie da - meine Sandalen …«
»Ich sehe sie«, erwiderte Toivo gleichmütig. »Standen die Fenster eigentlich alle so offen?«
»Ich weiß nicht mehr. Das dort war offen, da bin ich rausgesprungen.«
»Verstehe«, sagte Toivo und schaute hinaus in den kleinen Garten.
Ja, es gab Spuren hier. Viele, viele Spuren: eingedrückte Sträucher, abgebrochene Zweige, das verwüstete Blumenbeet. Und das Gras unterhalb des Geländers sah aus, als hätten sich Pferde darin gewälzt. Wenn sich hier Tiere aufgehalten hatten, dann waren es ungeschlachte große Tiere gewesen, und sie hatten sich nicht an das Haus herangeschlichen, sondern waren geradewegs darauf zugestürmt - vom Platz herüber, quer durch die Hecke und dann durch die offenen Fenster direkt in die Zimmer.
Toivo ging quer über die Veranda und öffnete die Tür zum Haus. Dort war keinerlei Unordnung zu sehen. Jedenfalls keine, wie sie schwere plumpe Leiber hätten hervorrufen müssen.
Da standen ein Sofa und drei Sessel. Ein Tischchen war nicht zu sehen, anscheinend war es versenkbar. Es gab nur ein Steuerpult, das sich in der Armlehne des großen Sessels befand, und Serviceterminals vom System »Polykristall« in den übrigen Sesseln und im Sofa. An der vorderen Wand hing eine Landschaft von Lewitan und eine altertümliche Chromophotonal-Kopie mit dem rührenden kleinen Dreieck links unten, damit sie nur ja kein Kenner für das Original hielte. Und an der Wand links eine Federzeichnung in einem selbst gebauten Holzrahmen, ein zorniges Frauengesicht. Ein schönes übrigens …
Bei genauerer Betrachtung entdeckte Toivo Abdrücke von Schuhsohlen auf dem Fußboden: Anscheinend war jemand vom Einsatztrupp vorsichtig durch das Wohn- ins Schlafzimmer gegangen. Zurück führten keine Spuren, der Mann war durch das Schlafzimmerfenster ausgestiegen. Der Fußboden im Wohnzimmer war also von einer ziemlich dicken Schicht aus feinem braunem Staub bedeckt. Und nicht nur der Fußboden. Die Sitzflächen der Sessel. Die Armlehnen. Das Sofa. An den Wänden aber war nichts zu sehen.
Toivo kehrte auf die Veranda zurück. Anatoli Sergejewitsch saß auf der Vortreppe. Den Polarmantel hatte er abgelegt, die Fellstiefel auszuziehen aber hatte er anscheinend vergessen, so dass er einen ziemlich albernen Anblick bot. Seine Sandalen hatte er nicht angefasst, sie standen noch immer unter dem Stuhl. Spuren von Nässe waren nirgendwo zu erkennen - aber die Sandalen ebenso wie der Boden rundum waren mit demselben braunen Staub überzogen.
»Und, wie geht es Ihnen?«, fragte Toivo noch von der Schwelle aus.
Anatoli Sergejewitsch zuckte zusammen und drehte sich abrupt um. »Na ja, langsam komme ich wieder zu mir.«
»Wunderbar. Nehmen Sie Ihren Regenumhang und machen Sie sich auf den Heimweg. Oder wollen Sie auf die Jarygins warten?«
»Ich weiß nicht recht«, antwortete Anatoli Sergejewitsch unschlüssig.
»Wie Sie möchten«, sagte Toivo. »Hier gibt es auf jeden Fall keinerlei Gefahr, und es wird auch keine mehr geben.«
»Haben Sie etwas herausfinden können?«, fragte Anatoli
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