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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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Arbeitsschwerpunkt: Metapsychologie. Seit’89 Mitarbeiter der Abteilung Psychoprognostik, seit’93 Leiter des Labors für Apparatetechnik, seit’94 Leiter der Abteilung Intrapsychische Technik.
     
    Ein Auszug aus unserer Unterhaltung:
     
    ICH: Wofür hat sich Hexenmeister Ihrer Meinung nach im Institut am meisten interessiert?
    HAIDAI: Wissen Sie, ich habe den Eindruck, dass dieser Hexenmeister einfach falsch informiert war. Das ist auch kein Wunder, denn sogar auf der Erde haben viele eine völlig falsche Vorstellung von unserer Arbeit. Was soll man da von den Progressoren auf dem Saraksch erwarten, mit denen Hexenmeister zu tun hatte? Ich weiß noch, dass ich mich gleich gewundert habe, warum Hexenmeister, ein Außerirdischer, auf der ganzen Erde einzig und allein unser Institut sehen wollte. Ich glaube, es verhält sich so: Bei sich auf dem Saraksch ist Hexenmeister quasi der König der Mutanten, und das bereitet ihm sicher eine Menge Probleme. Sie degenerieren, sind krank, brauchen Behandlung, Unterstützung. Unsere »Sonderlinge« sind vielleicht - auf ihre Art - auch Mutanten, und da dachte sich Hexenmeister,
er könnte im Institut an nützliche Informationen kommen. Gewiss hat er geglaubt, das sei hier so etwas wie eine Klinik.
    ICH: Und als er seinen Irrtum erkannte, hat er sich umgedreht und ist abgereist?
    HAIDAI: Genau. Er hat sich zwar ein bisschen abrupt umgedreht und ist ein wenig übereilt gegangen, aber es kann ja durchaus sein, dass das den dortigen Umgangsformen entspricht.
    ICH: Worüber hat er mit Ihnen gesprochen?
    HAIDAI: Über nichts. Ich habe seine Stimme nur ein einziges Mal gehört. Ich fragte ihn, was er bei uns besichtigen wolle, und er antwortete: »Alles, was Sie mir zeigen.« Seine Stimme war übrigens ziemlich widerlich, wie die einer zänkischen Hexe.
    ICH: Apropos, in welcher Sprache haben Sie mit ihm gesprochen?
    HAIDAI: Stellen Sie sich vor - auf ukrainisch!
     
    Gemäß Haidais Aussage traf sich Hexenmeister im Institut nur mit drei Probanden. Mit zwei von ihnen konnte ich bisher sprechen.
    Rawitsch, Marina Sergejewna, 27 Jahre alt, ausgebildete Tierärztin; zurzeit Beraterin des Leningrader Werks für Embryosysteme, der Lausanner Werkstatt zur Realisation der P-Abstraktionen, des Belgrader Instituts für Laminarpositronik und des Hauptarchitekten der Jakutsker Region. Eine bescheidene, sehr schüchterne und traurig wirkende Frau. Sie besitzt eine einzigartige und bis dato unerklärte Fähigkeit (für die es nicht einmal eine wissenschaftliche Bezeichnung gibt): Stellt man sie vor ein exakt formuliertes, nachvollziehbares Problem, macht sie sich mit großem Eifer und Enthusiasmus an seine Lösung. Im Ergebnis, aber und ohne es zu wollen, erhält sie die Lösung zu einem ganz anderen Problem
- einem, das mit der gestellten Aufgabe gar nichts zu tun hat und in der Regel auch außerhalb ihrer beruflichen Sphäre liegt. Die Aufgabe wirkt in ihrem Bewusstsein wie ein Katalysator zur Lösung eines Problems, von dem sie vielleicht einmal flüchtig in einer populärwissenschaftlichen Zeitschrift gelesen oder zufällig in einer Unterhaltung von Fachleuten gehört hat. Im Voraus zu bestimmen, welches Problem sie im konkreten Fall lösen wird, ist anscheinend ausgeschlossen, da so etwas wie eine klassische Unschärferelation vorliegt.
    Hexenmeister erschien in ihrem Zimmer, als sie gerade arbeitete. Sie erinnert sich dunkel an eine hässliche, großköpfige Gestalt in grüner Kleidung, aber weiter hat Hexenmeister keine Eindrücke bei ihr hinterlassen. Nein, gesagt habe er nichts. Die üblichen Gemeinplätze über ihre »Gabe« habe Bohdan von sich gegeben, anderer Stimmen entsinnt sie sich nicht. Nach Haidais Worten hat sich Hexenmeister ganze zwei Minuten bei ihr aufgehalten und, wie es scheint, ebenso wenig Interesse für sie aufgebracht wie sie für ihn.
    Michel Desmonde, 41 Jahre alt, ausgebildeter Granulationsingenieur, Berufssportler, Europameister des Jahres’88 im Tunnelhockey. Ein fröhlicher Mann, sehr zufrieden mit sich und der Welt. Seinem Polymentalismus begegnet er gleichmütig und mit Humor. Er wollte gerade zum Stadion aufbrechen, als man Hexenmeister zu ihm brachte. Michel zufolge sah Hexenmeister elend aus und schwieg die ganze Zeit. Scherze nahm er gar nicht wahr. Er verstand wohl nicht ganz, wo er sich befand und worüber man mit ihm sprach. Allerdings gab es einen Moment - und ihn würde Michel sein Leben lang nicht vergessen -, als Hexenmeister plötzlich seine

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