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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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dass sie es doch nicht sind?«, fragte Grischa.
    Eine Zeit lang gab Toivo keine Antwort, sagte aber dann plötzlich, ohne sich umzudrehen: »Jetzt hoffe ich das schon nicht mehr.«
    »Das heißt?«
    »Sie sind es.«
    Grischa kniff die Augen zusammen. »Das heißt?«
    »Ich bin überzeugt, dass die Wanderer auf der Erde sind, und dass sie aktiv sind.«
    (Grischa erzählte später, dass er diesen Moment als Schock erlebte. Er hatte auf einmal das Gefühl, als sei das, was vor sich ging, ganz und gar unwirklich. Und das lag einzig und allein an der Person Toivo Glumows: Seine Worte waren sehr schwer mit seiner Persönlichkeit in Einklang zu bringen. Seine Worte konnten kein Scherz sein, denn Toivo machte nie Scherze über die Wandere r. Seine Worte konnten auch kein
vorschneller Schluss sein, denn Toivo äußerte nie vorschnelle Schlüsse. Aber wahr konnten seine Worte auf gar keinen Fall sein - weil sie auf gar keinen Fall wahr sein konnten. Im Übrigen konnte sich Toivo doch irren.)
    Grischa fragte angespannt: »Weiß Big Bug Bescheid?«
    »Ich habe ihm alle Fakten vorgetragen.«
    »Und?«
    »Vorläufig, wie du siehst, nichts«, sagte Toivo.
    Grischa entspannte sich und lehnte sich wieder in den Sessel zurück. »Du hast dich einfach geirrt«, sagte er erleichtert.
    Toivo schwieg.
    »Hol dich der Teufel!«, rief Grischa plötzlich. »Du mit deinen finsteren Phantasien! Das war eben wie eine eiskalte Dusche für mich!«
    Toivo schwieg. Er hatte sich wieder zum Fenster gewandt. Grischa begann zu krächzen, fasste sich an die Nasenspitze, zog das Gesicht in Runzeln zusammen und wackelte an seiner Nase. »Nein«, sagte er. »Ich kann nicht so sein wie du, das ist es. Ich kann nicht. Es ist zu ernst. Alles in mir wird davon abgestoßen. Das ist schließlich keine Privatangelegenheit: Ich für mich glaube es, und ihr anderen - wie es euch beliebt. Wenn ich so weit gekommen bin, daran zu glauben, dann muss ich alles andere hinwerfen, alles opfern, was ich habe, auf alles Übrige verzichten - wie einer, der ins Kloster geht, verdammt nochmal! Aber unser Leben bietet ja doch mehrere Varianten! Wie soll man es da in eine einzige Form hineinpressen? Klar, manchmal schäme ich mich auch, oder fürchte mich, und dann schaue ich ganz fasziniert, ja bewundernd auf dich. Aber manchmal - wie zum Beispiel jetzt - könnte ich aus der Haut fahren, wenn ich dich sehe - bei deiner Selbstkasteiung, deiner Besessenheit bis zur Selbstaufgabe. Und dann möchte ich ironisch sein, mich über dich lustig machen, alles mit einem Scherz beiseiteschieben, was du da vor uns auftürmst.«

    »Grischa«, sagte Toivo, »was willst du von mir?«
    Grischa verstummte. »In der Tat«, antwortete er nachdenklich. »Was will ich eigentlich von dir? Ich weiß es nicht.«
    »Aber ich weiß es. Du willst, dass alles gut ist und mit jedem Tag besser wird.«
    »Oh!« Grischa hob den Finger.
    Er hatte noch etwas sagen wollen, etwas Leichtes, Beschwingtes, um das Gefühl der peinlichen Intimität zu verwischen, das in den letzten Minuten zwischen ihnen aufgekommen war. Aber da ertönte das Signal - das Programm war durchgelaufen, und das Papierband mit den Ergebnissen schob sich in kurzen Stößen auf den Tisch.
    Toivo sah es ganz durch, Zeile für Zeile, legte es an den Faltstellen akkurat zusammen und steckte es in den Schlitz des Kollektors.
    »Nichts von Interesse?«, erkundigte sich Grischa.
    »Wie soll ich sagen …«, murmelte Toivo. Jetzt dachte er wirklich angestrengt über etwas anderes nach. »Wieder das Frühjahr’81.«
    »Was - wieder?«
    Toivo ließ seine Fingerspitzen über die Terminalsensoren gleiten und startete den nächsten Programmdurchlauf.
    »Im März’81«, sagte er, »wurde zum ersten Mal nach zweihundert Jahren Pause wieder ein Fall registriert, wo Grauwale Massenselbstmord begingen.«
    »Ja«, sagte Grischa ungeduldig. »Aber in welchem Sinne ›wieder‹?«
    Toivo stand auf. »Das ist eine lange Geschichte«, erklärte er. »Du kannst später die Zusammenfassung lesen. Lass uns jetzt nach Hause gehen.«

    Toivo Glumow zu Hause. 8. Mai ’99. Am späten Abend
     
    Sie aßen zu Abend. Das Zimmer war purpurn vom Sonnenuntergang.
    Assja plagte schlechte Laune. Das Delikatesskombinat hatte direkt von der Pandora eine Lieferung des wertvollen Paschkowski-Gärungsmittels erhalten, transportiert per Biocontainer, frisch abgepackt zu je sechs Kilogramm in Säcken, die mit bräunlichem Raufrost bedeckt waren und aus denen die Hornhäkchen der

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