Gesammelte Werke 1
war … auch …«
Niemand antwortete ihm. Dann stand er langsam auf, suchte in der Ecke nach etwas und hob schließlich mühsam eine große Korbflasche auf den Tisch. Dazu stellte er drei Becher.
»Wir können abwechselnd trinken«, erklärte er. »Wenn jemand hungrig ist, es gibt Käse. Und Zwiebeln …«
»Warten Sie, Förster«, unterbrach ihn der Breitschultrige ärgerlich. »Und rücken Sie Ihre Flasche beiseite, ich sehe nichts … Na, was ist, Doktor?«
Der Doktor tastete noch einmal Maxims Körper ab, stieß eine Rauchwolke aus und setzte sich auf seinen Platz.
»Schenk ein, Förster«, knurrte er. »Darauf muss man trinken.« Und an Maxim gewandt: »Ziehen Sie sich an! Und grinsen Sie nicht wie eine Vogelscheuche. Ich habe ein paar Fragen an Sie.«
Maxim zog sich an. Der Doktor nahm einen Schluck und verzog das Gesicht.
»Wann, sagten Sie, wurde auf Sie geschossen?«
»Vor siebenundvierzig Tagen.«
»Und womit?«
»Mit einer Pistole. Einer Armeepistole.«
Der Doktor trank noch einmal, verzog wieder das Gesicht und drehte sich zu dem Breitschultrigen. »Ich wette meinen Kopf, dass tatsächlich auf ihn geschossen wurde, mit einer Armeepistole und zwar aus sehr kurzer Entfernung. Allerdings nicht vor siebenundvierzig Tagen, sondern vor mindestens hundertsiebenundvierzig. Wo sind die Kugeln?«, fragte er Maxim plötzlich.
»Rausgewachsen. Ich habe sie weggeworfen.«
»Hören Sie, äh … Mak! Sie lügen. Gestehen Sie: Wie hat man Sie so hergerichtet?«
Maxim biss sich auf die Lippe. »Es ist die Wahrheit. Sie wissen nur nicht, wie schnell bei uns die Wunden heilen. Ich lüge nicht.« Er verstummte. »Übrigens können Sie das leicht nachprüfen. Schneiden Sie mir in die Hand. Wenn der Schnitt nicht zu tief ist, schließe ich ihn in zehn, fünfzehn Minuten.«
»Das stimmt«, pflichtete ihm Ordi bei. »Ich habe es selbst gesehen. Er hat sich beim Kartoffelschälen den Finger verletzt. Eine halbe Stunde später war nur noch eine weiße Schramme zu sehen, am nächsten Tag überhaupt nichts mehr. Er ist bestimmt ein Gebirgler. Gel hat mir erzählt, wie sie in den Bergen heilen - sie besprechen die Wunden.«
»Ach, das Heilen in den Bergen …« Der Doktor hüllte sich wieder in Rauch. »Schön, gehen wir davon aus! Ein Schnitt in den Finger ist zwar etwas anderes als sieben Kugeln aus nächster Nähe, aber gut, nehmen wir es mal an. Dass die Wunden so schnell verheilt sind, ist nicht das Erstaunlichste. Ich möchte für etwas anderes eine Erklärung: Im Körper des jungen Mannes sind sieben Einschüsse. Stammen sie wirklich von Pistolenkugeln, hätten mindestens vier von ihnen - und zwar jede für sich allein! - seinen Tod herbeiführen müssen.«
Der Förster stöhnte auf und faltete die Hände.
»Wieso, zum Teufel?«, fragte der Breitschultrige.
»Glauben Sie mir«, ereiferte sich der Doktor. »Eine Kugel ins Herz, eine ins Rückgrat und zwei in die Leber. Plus der starke Blutverlust. Plus die unvermeidliche Sepsis. Plus das Fehlen jeglicher Spur von qualifizierter ärztlicher Hilfe. Massaraksch, schon die Kugel ins Herz hätte genügt.«
»Was meinen Sie dazu?«, wandte sich der Breitschultrige wieder an Maxim.
»Er irrt«, erwiderte dieser. »Seine Diagnose ist richtig, und trotzdem irrt er. Für uns sind diese Wunden nicht tödlich. Der Rittmeister hätte mich in den Kopf treffen müssen, doch er hat es nicht … Verstehen Sie, Doktor, Sie können sich gar nicht vorstellen, was das für widerstandsfähige Organe sind - Herz und Leber. Die sind ja voller Blut …«
»Hm«, sagte der Doktor.
»Eins ist sicher«, meldete sich der Breitschultrige. »Eine so plumpe Legende würden Sie uns wohl kaum auftischen. Sie wissen doch, dass wir Ärzte haben.«
Sie schwiegen. Maxim wartete geduldig. Würde ich es denn glauben?, überlegte er. Wahrscheinlich ja. Aber ich bin, wie es aussieht, sowieso viel zu vertrauensselig für diese Welt. Wenn auch schon etwas skeptischer als früher. Dieser Memo zum Beispiel gefällt mir nicht. Er hat ständig vor etwas Angst. Sitzt mit dem Maschinengewehr inmitten seiner eigenen Leute und hat Angst. Merkwürdig. Vielleicht fürchtet er mich. Denkt, ich könnte ihm die Waffe abnehmen und ihm wieder die Finger ausrenken. Gar nicht so abwegig. Auf mich soll niemand mehr schießen, dachte er, es war zu schlimm. Er erinnerte sich an die eisige Nacht im Steinbruch, an den toten, phosphoreszierenden Himmel und die kalte klebrige Lache, in der er gelegen hatte. Nein, es
Weitere Kostenlose Bücher