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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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darauf angespielt. Er behandelte Maxim mit einer Hochachtung, die sich zu Liebedienerei steigerte. »Du wirst unser Chef«, sagte er häufig, »und unter dir werde ich mich entwickeln …« Wie und wohin er sich entwickeln wollte, blieb im Ungewissen, eins jedoch war klar: Der Grüne liebte das Wagnis und verabscheute die Arbeit. Maxim störte zudem seine wilde, ursprüngliche Grausamkeit; er war ein gefleckter Affe, wenn auch gezähmt, und abgerichtet auf Panzerwölfe.
    »Mir gefällt das nicht«, sagte Memo düster. »Es ist ein Abenteuer. Ohne Vorbereitung, ohne Test … Nein, mir gefällt es nicht.«
    Ihm gefiel nie etwas, diesem Memo Gramenu, genannt »Todesklaue«. Nie war er zufrieden, ewig hatte er Angst. Seine Vergangenheit wurde geheim gehalten, weil er früher ein hohes Tier im Untergrund gewesen war. Dann aber geriet er in die Fänge der Spionageabwehr und überlebte nur durch ein Wunder: Seine Zellengenossen organisierten die Flucht und schleppten Memo, durch die Folterungen völlig verunstaltet, mit. Den Gesetzen des Untergrundes entsprechend, entfernte man ihn aus dem Stab, obwohl er keinerlei Anlass zu Verdächtigungen bot. Er wurde Gel Ketschef zur Seite gestellt,
beteiligte sich an zwei Überfällen auf Raketenabwehrtürme, vernichtete mehrere Streifenwagen, spürte einen Brigadekommandeur der Garde auf, erschoss ihn eigenhändig und war überhaupt als Mann von fanatischer Kühnheit sowie als ausgezeichneter Maschinengewehrschütze bekannt. Man wollte ihn schon zum Gruppenleiter einer Stadt im Südwesten ernennen, als Gels Truppe aufflog. Man misstraute Klaue zwar nicht, er wurde sogar Leiter einer neuen Gruppe, aber offenbar störten ihn die schiefen Blicke, die ihm ständig zugeworfen wurden. Tatsächlich gab es solche Blicke nicht, aber es hätte sie durchaus geben können, denn im Untergrund wurde es nicht gern gesehen, wenn einer zu viel Glück hatte. Memo hatte hohe Ansprüche an andere; er war schweigsam, beherrschte die Kunst der Konspiration und verlangte, dass all ihre Regeln - selbst unwichtige - bedingungslos eingehalten würden. Plaudereien über allgemeine Themen mied er, befasste sich nur mit den Belangen der Gruppe und erreichte, dass sie alles hatten: Waffen, Verpflegung, Geld, ein verlässliches Netz von Anlaufstellen und sogar ein Motorrad. Dass er Maxim nicht mochte, spürte man; warum, wusste Maxim nicht. Doch er wollte ihn auch nicht fragen, denn Memo war kein Mensch, den man gern ins Vertrauen zog. Vielleicht konnte er Maxim nicht verzeihen, dass er spürte, dass Memo Angst hatte. Denn allen anderen wäre es nicht im Traum eingefallen, dass Klaue, der mit jedem Stabsmitglied ungezwungen redete und einer der Initiatoren des Untergrunds und Terrorist bis ins Mark war, sich vor irgendetwas fürchten könnte.
    »Die Gründe des Stabs sind mir unbegreiflich«, fuhr Memo fort, während er angewidert seinen Hals noch einmal mit dem Mückenmittel einrieb. »Ich kenne diesen Plan seit hundert Jahren. Hundertmal wollte man ihn verwirklichen, und hundertmal nahm man Abstand davon, weil die Operation im Prinzip den sicheren Tod bedeutet. Sind nun die Emitter
ausgeschaltet, haben wir wenigstens die Chance, nach einem Fehlschlag zu entkommen und an anderer Stelle zuzuschlagen. So aber sind wir geliefert: Ein Fehlschlag und wir sind alle tot.«
    »Das ist nicht ganz richtig, Klaue«, widersprach Ordi. »Jetzt haben wir Mak. Wenn etwas schiefläuft, kann er uns rausholen, möglicherweise sogar allein den Turm sprengen.«
    Ordi saß ganz entspannt da, den Blick in die Ferne, auf den Sumpf gerichtet, und rauchte. Sie wunderte sich über nichts, war ruhig wie immer und schien zu allem bereit. Ihre Gegenwart machte die anderen beklommen, denn Ordi sah in den anderen nichts weiter als mehr oder weniger geeignete Vernichtungswerkzeuge. Man wusste alles über sie, weder in Ordis Vergangenheit noch gegenwärtig oder in Zukunft gab es dunkle Flecken. Sie stammte aus einer Intellektuellenfamilie, der Vater war im Krieg gefallen, die Mutter arbeitete als Lehrerin in der Entensiedlung. Auch Ordi war Lehrerin gewesen, bevor man sie als Entartete aus der Schule jagte. Sie versteckte sich, versuchte nach Honti zu fliehen und traf an der Grenze Gel, der Waffen ins Land schmuggelte. Durch ihn wurde sie Terroristin. Anfangs hatte sie rein ideelle Motive: Sie kämpfte für eine gerechte Gesellschaft, in der jeder frei war, zu tun und zu denken, was er für richtig hielt. Aber dann, vor sieben Jahren, kam die

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