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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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nicht vergammelt war, sondern sie lange an die Erde presste und so laut feuerte, dass es im ganzen Wald zu hören war. Danach gerieten sie in einen wahren Dschungel aus Stacheldraht, aus dem sie kaum mehr herausfanden, und als es ihnen schließlich gelang, kam plötzlich Feuer von oben, so dass es Explosionen gab und zu brennen begann. Maxim begriff überhaupt nichts, der Einarmige schwieg und lag ruhig mit dem Gesicht nach unten, Sef aber schoss mit dem Granatwerfer in die Luft und brüllte plötzlich: »Im Laufschritt, mir nach!« Sie rannten davon und dort, wo sie noch kurz zuvor gewesen waren, züngelten hohe Flammen. Sef fluchte fürchterlich; Wildschwein aber lachte vor sich hin. Sie drangen in ein wildes Dickicht, hörten ein Pfeifen und Fauchen, und durch das Astwerk quoll grünliches, widerlich stinkendes Gas. Wieder mussten sie fort, sich durch Gebüsch zwängen, wieder fluchte Sef, und dem Einarmigen wurde übel.
    Schließlich wurde Sef müde und verkündete eine Pause. Sie fachten ein Feuer an, und Maxim - als Jüngster - kochte das Essen: Konservensuppe in dem ihm längst bekannten Kochgeschirr. Sef und der Einarmige lagen schmutzig und zerschunden neben ihm und rauchten.
    Wildschwein wirkte mitgenommen, er war alt, für ihn war es hier am schwersten.
    »Unbegreiflich, wie wir es geschafft haben, bei so einer Menge Technik pro Quadratmeter den Krieg zu verlieren«, sagte Maxim.

    »Wie kommst du darauf, dass wir ihn verloren haben?«, erkundigte sich Sef träge.
    »Gewonnen haben wir ja nicht«, sagte Maxim. »Sieger leben anders.«
    »In einem modernen Krieg gibt es keine Sieger«, bemerkte der Einarmige. »Sie haben natürlich Recht. Wir haben den Krieg verloren. Alle haben diesen Krieg verloren. Gewonnen haben nur die Unbekannten Väter.«
    »Die Unbekannten Väter haben es auch nicht leicht«. Maxim rührte die Suppe um.
    »Ja«, sagte Sef ernst. »Schlaflose Nächte und quälende Gedanken an das Schicksal des Volkes. Müde und gütig, sehen sie alles, verstehen alles … Massaraksch, wie lange habe ich keine Zeitungen mehr gelesen, habe schon vergessen, wie’s weitergeht.«
    »Treu und gütig«, berichtigte ihn der Einarmige. »Sich ganz dem Fortschritt und dem Kampf gegen das Chaos widmend.«
    »Solche Gespräche bin ich nicht mehr gewöhnt«, murrte Sef. »Hier heißt’s ›Halt’s Maul, Zögling!‹, oder ›Ich zähle bis eins‹. He, Bürschchen, wie heißt du doch?«
    »Maxim.«
    »Ja, richtig. Rühre, Mak, rühre. Pass auf, dass sie nicht anbrennt!«
    Maxim rührte. Und dann meinte Sef, es sei nun genug, er könne nicht länger warten. Schweigend löffelten sie ihre Suppe. Maxim spürte, dass sich irgendetwas verändert hatte, und es würde noch heute ausgesprochen werden … Doch nach dem Essen legte sich Wildschwein wieder hin und blickte zum Himmel, und Sef griff, unverständlich murmelnd, nach dem Kochgeschirr und wischte es mit einer Brotrinde aus.
    »Man müsste sich etwas schießen«, sagte er. »Mein Wanst ist leer, als hätte ich keinen Krümel darin. Nur Appetit hab ich gekriegt.«

    Maxim wurde verlegen, und er versuchte, ein Gespräch über die Jagd in dieser Gegend anzufangen, doch die anderen gingen nicht darauf ein. Der Einarmige lag mit geschlossenen Augen da und schlief anscheinend; Sef, der sich Maxims Überlegungen zu Ende angehört hatte, brummte nur: »Was kann’s hier für Jagd geben. Ist doch alles verseucht, radioaktiv«, und dann wälzte auch er sich auf den Rücken.
    Maxim nahm das Kochgeschirr und ging zum Bach, der in der Nähe vorbeifloss. Das Wasser war klar, schien sauber und wohlschmeckend, so dass Maxim davon trinken wollte. Er schöpfte eine Handvoll und bemerkte, dass der Bach spürbar radioaktiv war; das Kochgeschirr würde er hier nicht auswaschen können, und trinken sollte er von dem Wasser besser auch nicht. Maxim hockte sich hin, legte das Kochgeschirr ins Gras und fing an zu grübeln.
    Als Erstes kam ihm Rada in den Sinn, wie sie nach den Mahlzeiten das Geschirr gespült und nicht zugelassen hatte, dass er ihr half: Das sei Frauensache, hatte sie gesagt. Ihm fiel ein, dass sie ihn liebte, und das machte ihn stolz, denn bislang hatte noch keine Frau ihn geliebt. Er hätte Rada jetzt gern gesehen, war aber zugleich erleichtert, dass sie nicht da war. An diesen Ort gehörten nicht einmal die schlimmsten Männer; zwanzigtausend Reinigungskyber müsste man herschicken, vielleicht sogar alle Wälder mitsamt ihrem Inhalt vernichten und neue ziehen, die

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