Gesammelte Werke 1
ich’s?«, erwiderte Sef streitsüchtig. »Vielleicht ein Unterstand. Oder tatsächlich die Festung. Hast du von ihr gehört?«
»Nein.« Maxim rutschte den Erdhaufen hinab.
»Also nicht.« Sef schien zerstreut. Er leuchtete immer noch mit der Taschenlampe die Wände ab. »Was weißt du überhaupt. Massaraksch, eben war da jemand.«
»Ein Mensch?«
»Keine Ahnung. Er schlich an der Wand entlang und verschwand. Was aber die Festung betrifft, mein Freund - das ist eine Sache, mit der wir an einem Tag unsere ganze Arbeit schaffen könnten. Aha, Spuren …«
Er kauerte sich nieder. Maxim hockte sich daneben und sah eine Reihe von Abdrücken im Staub neben der Wand.
»Sie sehen merkwürdig aus«, sagte er.
»Stimmt, mein Freund.« Sef sah sich wieder um. »Solche Spuren habe ich noch nie gesehen.«
»Als wäre jemand auf Fäusten gegangen«, überlegte Maxim. Er ballte eine Hand und drückte sie neben die Spur.
»So ähnlich«, stimmte Sef anerkennend zu. Er richtete den Lichtkegel in die Tiefe des Gangs. Etwas blinkte schwach, reflektierte - wahrscheinlich eine Biegung oder Sackgasse. »Sehen wir’s uns an?«
»Leise«, sagte Maxim. »Keinen Ton, und bewegen Sie sich nicht.«
Die Stille hier unter der Erde war so dicht wie feuchte Watte, und dennoch war der Gang nicht unbelebt. Da vorne stand jemand - Maxim konnte nicht genau sagen, wo und wie weit entfernt -, aber da, klein und an die Mauer gepresst war etwas, das einen schwachen, unbekannten Geruch verbreitete, sie beobachtete und ihre Anwesenheit missbilligte. Das Wesen war etwas ganz und gar Fremdes und seine Absichten unbekannt.
»Müssen wir unbedingt dorthin?«, fragte Maxim.
»Ich würde gern.«
»Weshalb?«
»Ich muss mir das ansehen, womöglich ist es die Festung. Hätten wir die gefunden, mein Freund, würde alles anders. Ich glaube nicht an sie, aber da man davon erzählt. Wer weiß. Vielleicht lügen doch nicht alle.«
»Da ist jemand«, flüsterte Maxim. »Ich begreife nur nicht, wer.«
»Ja? Hm, wenn es die Festung ist, leben hier, nach der Legende, entweder die Überreste ihrer Garnison … Sitzen da, verstehst du, und wissen nicht, dass die Kämpfe zu Ende sind, hatten mitten im Krieg ihre Neutralität erklärt, sich verbarrikadiert und verkündet, sie würden den ganzen Kontinent in die Luft sprengen, falls man zu ihnen vordränge.«
»Können sie das?«
»Wenn es die Festung ist, können sie alles. Es gibt ja oben immer noch ständig Schüsse und Detonationen, gut möglich,
dass sie denken, der Krieg sei noch nicht vorbei. Irgendein Prinz hat hier kommandiert oder ein Herzog. Wäre gut, ihn zu treffen und mit ihm zu reden.«
Maxim lauschte wieder.
»Nein«, sagte er mit Bestimmtheit. »Das ist weder Prinz noch Herzog. Ein Tier vielleicht, nein, auch kein Tier. Oder?«
»Was - ›oder‹?«
»Sie haben gesagt, entweder die Überreste der Garnison, oder …?«
»Ach so, das andere ist Unsinn, ein Ammenmärchen. Gehen wir und sehen nach.«
Sef lud den Granatwerfer, brachte ihn in Anschlag und tappte, mit der Taschenlampe leuchtend, vorwärts. Maxim hielt sich neben ihm. Einige Minuten bewegten sie sich den Gang entlang, dann stießen sie auf eine Wand und gingen nach rechts.
»Sie machen zu viel Lärm«, beklagte sich Maxim. »Da vorn passiert was, aber Sie schnaufen …«
»Was denn, soll ich die Luft anhalten?« Prompt zeigte Sef seine Krallen.
»Ihre Lampe stört mich auch.«
»Wieso? Es ist dunkel!«
»Ich sehe im Dunkeln«, sagte Maxim, »aber wegen Ihrer Funzel kann ich nichts erkennen. Lassen Sie mich vorgehen, und bleiben Sie hier. Sonst erfahren wir gar nichts.«
»Wie du willst.« Sefs Stimme klang ungewohnt unsicher.
Maxim kniff wieder die Augen zusammen, erholte sich von dem matten, flackernden Licht und glitt gebückt an der Mauer entlang, bemüht, jedes Geräusch zu vermeiden. Der Unbekannte konnte nicht weit sein, und mit jedem Schritt kam Maxim ihm näher. Der Gang nahm kein Ende. Rechts zeigten sich jetzt Türen, alle aus Eisen und ausnahmslos verschlossen. Von vorn zog es ein wenig. Die Luft war feucht, roch nach Moder und etwas Unbekanntem, Lebendigem und Warmem.
Hinten rührte Sef sich vorsichtig; es war ihm nicht geheuer, und er hatte Angst zurückzubleiben. Maxim schmunzelte, als ihm das bewusst wurde; buchstäblich für eine Sekunde war er abgelenkt - und in dieser Sekunde verschwand das Wesen. Maxim verharrte erstaunt. Eben noch war es vor ihm gewesen, wenige Schritte entfernt. Und jetzt schien es
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