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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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Polternden, Knarrenden, von einem Gefühl wie ein grob hineingetriebener Keil wurde auch Demeter nicht los, seit er in diesem Hause war. Wenn er noch so vorsichtig ging, dröhnten in dem schweigenden Gebäude die Dielen und Stiegen, und die Türen lärmten in seiner Hand. Er erschrak häufig über sich selbst und verlor zuweilen fast seine Sicherheit. Die alte Dame zwar fürchtete er nicht zu stören, sie lebte abseits in dem Flügel des Hauses, der nach dem Garten zu stand, und er sah sie niemals, aber Viktoria begegnete er öfters. Er hatte dann immer den Eindruck, daß sie wie lautlos vor ihm aus dem Dunkel auftauchte, und daß es sich hinter ihr ganz sonderbar ohne Bewegung wieder zusammenschloß. Und Demeter blieb manchmal stehen und empfand etwas wie Scheu und war nicht mehr sicher, ob sein Urteil, daß es sich hier bloß um das stille, machtlose Welken eines alternden Mädchens handle, auch richtig sei. Ja es ereignete sich, daß er etwas wie eine machtvolle, ungewöhnliche Sinnlichkeit gleich einer fremden Krankheit an sich vorbeistreifen fühlte. Viktoria war hoch gewachsen und hatte eine breite, ein wenig flache Brust, über ihrer niedrigen, wölbungslosen Stirn waren die Haare dicht zusammengeschlossen, ihr Mund war groß und wollüstig und ein leichter Flaum schwarzer Haare bedeckte ihre Arme. Wenn sie ging, hielt sie den Kopf gesenkt, wie wenn der feine Hals ihn nicht tragen könnte, ohne sich zu biegen, und den Leib drückte sie ein wenig hervor. Es war eine eigentümliche, fast schamlos gleichgültige Sanftmut in ihrer Art zu gehen und eben so sanft und leise übersah sie den Offizier und dankte seinem Gruße, wie wenn er etwas sehr Fernes wäre.
    «... Ob sie nicht doch eine Heimlichtuerin ist», schloß Demeter ärgerlich und fast ein wenig eingeschüchtert sein Nachdenken und warf mit einem mißmutigen Ruck seine Reisetasche zu. ––––
    Viktoria hatte indessen den Scheidenden ein Stück seines Weges zurückbegleitet. Etwas Undurchsichtiges, das bisher wie ein dunkler Nebel auf ihrem Leben gelastet hatte, war in Bewegung geraten und Formen unbekannter Glieder drückten sich wie in einem Schleier ab und verschwanden wieder. Dinge, die sie noch nie gesehen hatte, geschahen. Ihr Leben, das bisher wie ein schmaler, trüber Weg gewesen war, hatte sich plötzlich in die weite Pracht eines Gartens verwandelt. Alles, was sie tat, geschah, wie wenn es gleich schweren, kostbaren Gewändern an ihr herabfiele, an ihren Bewegungen hing das Spiel edler goldener Ketten, – oder alles, was sie tat, geschah wie durch einen weiten Ausblick gesehen; es war von jenem leise mitschwingenden Verständnis begleitet, das die Handlungen auf einer Bühne zusammendrängt und wie zu Zeichen eines im flachen Kieselgeflecht des Bodens sonst unsichtbaren Weges auftürmt. Aber alles war noch Ahnung. Nichts noch hob so sein Gesicht hervor, daß die Finger es halten konnten, alles wich noch zwischen den leise tastenden Händen aus. Es war bloß nicht mehr jene schwarze, klebrige Masse, die stumpf und häßlich alle Formen verwischt hatte, es lag nur mehr wie eine ganz dünne, seidene Maske über der Welt, hell und silbergrau und bewegt wie vor dem Zerreißen. Und sie spannte ihre Augen und es flimmerte ihr davor, wie wenn sie von unsichtbaren Stößen gerüttelt würde.
    Lange schon war diese Bewegung dahergekommen, Viktoria dachte daran, ob es wohl Liebe sei. Langsam war sie gekommen. Und doch für das Zeitmaß ihres Lebens zu rasch. Das Zeitmaß ihres Lebens war noch langsamer; es war ganz langsam. Es war wie ein langsames Öffnen und wieder Schließen der Augen und dazwischen wie ein Blick, der sich an den Dingen nicht halten kann, abgleitet, langsam, unberührt vorbeigleitet. Mit diesem Blick hatte sie es kommen gesehen. Und sie konnte daher nicht glauben, daß es Liebe sei. Denn sie verabscheute ihn so dunkel wie alles Fremde; ohne Haß, ohne Schärfe, nur wie ein fernes Land, jenseits der Grenze, wo weich und trostlos das eigene mit dem Himmel zusammenfließt. Ihr Leben war freudlos geworden, seit sie so alles Fremde verabscheute, sich still davor zurückzog. Es schien ihr manchmal, daß sie seinen Sinn nicht wüßte, aber seit dieser Mann darin war, dünkte sie, daß sie ihn bloß vergessen hatte; es quälte sie manchmal etwas wie die unter dem Bewußtsein treibende Erinnerung an eine wichtige vergessene Sache.
    Es war irgend einmal, daß sie dem Leben näher stand, es deutlicher spürte, wie mit den Händen oder wie am

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