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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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im Schoß vor den wiederkehrenden Tagen. Wenn es sie aber losließ und außen alles wieder nur glatte, gleichgültige Fläche war und innen alles vorbei, dann war es, wie wenn in die leergewordenen Stellen nun sie selbst hineinströmte, und dies war der Augenblick, den sie eigentlich liebte. Sie fühlte sich dann in ihrem trägen Gehenlassen und Nachschauen ganz warm und nah und eingehüllt in sich selbst wie in einen großen schweren Mantel, der sie begrub, und bei jedem Versuch, ihn abzuschütteln, ihre Bewegungen erstickte; sie duckte sich schließlich ganz heimlich unter ihm zusammen und empfand eine merkwürdige Zärtlichkeit für sich wie für ein verstecktes, ungewisses Geschöpf. Wenn jemand sie schalt und wegen ihrer Teilnahmslosigkeit träge nannte, konnte sie aus sich heraus wie aus weichen Betten auf ihn schauen und ihm fast dankbar sein, weil er sie nur noch tiefer und schwerer hineindrückte. Die Welt und die Männer erschienen ihr dann wie etwas sehr Weites und es war ihr, als sei sie aufgespart um vorher etwas in sich zu suchen, das einmal da war und noch irgendwo sein und wiederkommen mußte. Und sie ging durch die Jahre in ihrer dunklen, unbestimmten Zärtlichkeit dahin, wie eine Glocke, die ruft und ruft und keiner weiß wozu und sie wußte es auch nicht und fühlte nur, daß etwas in ihr tiefer und tiefer klang.
    Und während Veronika noch über all dies nachdachte, hörte sie plötzlich das Haustor gehen, hörte das Ächzen der hölzernen Treppe und fühlte ihr Herz. Sie hatte gewartet.
    Wie das Reglose selbst kauerte Veronika auf ihrem Stuhl und drückte sich in das Dunkel, während ihr geistlicher Freund wie ein großer leidenschaftlicher Schatten das Zimmer auf und abschritt; er versank und dann sah sie ihn noch etwas entfernt triefend vor Finsternis wieder auftauchen und nahe vor ihr, unter dem Fenster war er in einem zitternden, grauen Nebel von Augenblick ganz sichtbar; ... seine Stimme klang weit und kam nahe, klang nahe und sank wieder ins Weite ... –
    «Sie sitzen da, Veronika und schließen sich aus, warum tun Sie das?» «Ich fühle mich so am wohlsten.» «Aber das ist es ja eben, was nicht wahr ist! Sie belügen sich, ich kannte Sie doch früher; Sie sind freudlos geworden. Aber Sie sprechen immer so unbestimmt, drückt Sie etwas – ich meine, mir als Jugendfreund und Menschen anderer Gesetze – ich meine irgend ein Erlebnis, gestehen Sie es mir doch, es wird Sie erleichtern – warum fliehen Sie die Freuden der Geselligkeit, die doch Gott selbst den Menschen der Welt gegeben hat?» «Es ist mir, – wie soll ich es sagen – mir ist wie zerschnitten, wie wenn ich in Stücke zerfiele, wenn ich unter den Leuten bin» und wie eigensinnig wiederholte sie leise, «allein fühle ich mich am wohlsten, ganz, ich fühle mich als etwas.» – «Sie sind hoffärtig, Veronika» sagte der junge Priester unwillig. «Ich weiß nicht auf wen Sie warten und dabei treiben Sie in Stücken dahin und haben den Eigensinn eines Kranken, dahinein Ihren Stolz zu setzen»
    Veronika drückte sich wohlig unter diesen Scheltworten zusammen, ihr war als könnte sie aus sich heraus wie aus weichen Betten auf diesen starken bewegten Menschen schauen und empfand Dankbarkeit für seinen Unwillen, durch den sie noch tiefer und schwerer hineingedrückt wurde. Und ganz versteckt und listig fragte sie: «Und was haben Sie getan? Erzählen Sie lieber!» – mit einem heimlichen Schauer stellte sie sich dabei vor, wie sie ihn jetzt sprechen hören würde. –
    Cäciliens Bruder blieb stehen unwillig und kopfschüttelnd über den Widerstand – dann setzte er seinen Weg langsam wieder fort und begann zu erzählen, weil er hoffte, dadurch dieser Seele zum Frieden zu helfen.
    «Ich war vor der Stadt, auf dem Fuchsengut bei der Wöchnerin, wo der Vater gestern die Medizin hinausgeschickt hat, aber es ist nichts mehr zu machen.» Pause «Ist der Mann traurig?» «Gott, wie Bauern schon sind. Hart. Man weiß nicht, was in ihnen vorgeht. Aber wie ich ihm sag, daß seine Frau bald bei Gott es besser haben werde, ist er dagestanden, wie ich vorher noch nie einen Menschen stehen sah, so baumgerad als ob sein ganzes Leben fortab in diesem Augenblick festgewurzelt wär.» «Ja die Bauern ...» meinte Veronika um das Gespräch durch ihre Teilnahme in Fluß zu erhalten. «Nein nicht die Bauern; als ich dann ging und das Gatter schloß, wars mir geradeso, als hätte ich noch nie ein Tor so knarren gehört, so zögernd und

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