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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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dir an des Kaisers Dienst gefallen hat, und ich möchte wohl behaupten, daß die österreichische Armee im Broterzeugen allen anderen Armeen voraus ist, besonders seit die Intendanz dieses neue Muster «1914»herausgebracht hat! Darum hab ich es hier, das ist der eine Grund. Und dann, mußt du wissen, mach ich es jetzt auch grundsätzlich so. Ich muß natürlich nicht den ganzen Tag auf meinem Sessel sitzen und über jeden Schritt Rechenschaft ablegen, den ich aus dem Zimmer tu, das versteht sich von selbst; aber du weißt, daß der Generalstab nicht umsonst das Jesuitenkorps heißt, und geflüstert wird immer, wenn einer viel außer Haus ist, und Exzellenz von Frost, mein Chef, hat schließlich vielleicht doch noch keine ganz zutreffende Vorstellung vom Umfang des Geistes – des zivilen Geistes, meine ich – und darum nimm ich eben seit einiger Zeit immer die Tasche und eine Ordonnanz mit, wenn ich ein wenig ausgehn will, und damit sich die Ordonnanz nicht denkt, daß die Tasche leer ist, tu ich jedesmal zwei Laib Brot hinein.»
    Ulrich mußte lachen, und der General lachte vergnügt mit. «Du scheinst weniger Freude an den großen Gedanken der Menschheit zu haben als früher?» fragte Ulrich.
    «Alle haben jetzt weniger Freude daran» erklärte ihm Stumm, während er mit seinem Taschenmesser das Brot anschnitt. «Es ist jetzt die Parole der Tat ausgegeben worden.»
    «Du wirst mir das erklären müssen.»
    «Darum bin ich ja da. Du bist nicht der richtige Tatmensch!»
    «Nein?»
    «Nein.»
    «Ich weiß nicht!?»
    «Ich weiß es vielleicht auch nicht. Aber man sagt es.»
    «Wer ist ‹man›?»
    «Arnheim zum Beispiel.»
    «Du stehst gut mit Arnheim?»
    «Na natürlich! Wir stehen hervorragend miteinander. Wenn er kein gar so großer Geist wäre, könnten wir wirklich schon Du zueinander sagen!»
    «Hast du auch mit den Öllagern zu tun?»
    Der General trank von dem Korn, den Ulrich hatte auftragen lassen, und kaute Brot nach, um Zeit zu gewinnen. «Ausgezeichnet schmeckt das» brachte er mühsam hervor und kaute weiter.
    «Natürlich hast du mit den Öllagern zu tun!» stellte Ulrich in plötzlicher Erleuchtung fest. «Das ist doch eine Frage, die eure Marinesektion angeht wegen der Schiffsfeuerung, und wenn Arnheim die Bohrfelder erwerben will, muß er euch das Zugeständnis machen, euch billig zu liefern. Andererseits ist Galizien Aufmarschgebiet und Glacis gegen Rußland, also müßt ihr vorkehren, daß die Ölförderung, die er dort in Schwung bringen will, im Kriegsfall besonders geschützt wird. Also wird euch wieder seine Panzer-Blechfabrik bei den Kanonen entgegenkommen, die ihr haben wollt: Daß ich das nicht vorhergesehen habe! Ihr seid doch geradezu für einander geboren!»
    Der General hatte vorsichtshalber noch ein zweites Stück Brot gekaut; jetzt konnte er sich aber nicht mehr zurückhalten und sagte unter gewaltigen Anstrengungen, den vollen Inhalt seines Mundes hinunterzuwürgen: «Entgegenkommen kannst du leicht sagen; du hast keine Ahnung, was das für ein Geizhals ist! Ich bitte um Verzeihung,» verbesserte er seinen Ausdruck «mit welcher sittlichen Würde der so ein Geschäft behandelt! Ich habe keine Ahnung gehabt, daß zum Beispiel zehn Heller pro Tonne-Eisenbahnkilometer eine Gesinnungsfrage sind, wegen der man im Goethe oder in einer Philosophiegeschichte nachlesen muß!»
    «Du führst diese Verhandlungen?»
    Der General trank einen Korn nach. «Ich habe überhaupt nicht gesagt, daß Verhandlungen geführt werden! Gedankenaustausch kannst du es meinethalben nennen.»
    «Und damit bist du beauftragt?»
    «Niemand ist beauftragt! Man spricht einfach. Man kann doch hie und da auch von etwas anderem als der Parallelaktion sprechen. Und wenn jemand beauftragt wäre, so gewiß nicht ich. Das ist doch keine Angelegenheit für die Unterrichts- und Bildungsabteilung. So etwas geht die Präsidialkanzlei an und höchstens noch die Intendanz. Wenn ich überhaupt dabei bin, so wäre ich es nur als eine Art Fachbeirat für zivile Geistesfragen, sozusagen als Dolmetsch, weil der Arnheim so gebildet ist.»
    «Und weil du durch mich und Diotima fortwährend mit ihm zusammenkommst! Lieber Stumm, wenn du willst, daß ich dir weiter den Elefanten machen soll, mußt du mir die Wahrheit sagen!»
    Aber darauf hatte sich Stumm inzwischen vorbereitet. «Was fragst du denn, wenn du sie ohnehin weißt!» erwiderte er entrüstet. «Glaubst du, du darfst mich pflanzen, und ich weiß nicht, daß dich der Arnheim ins

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