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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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Verständnis, niemals durch ein ‹Sich in den andern Hineinversetzen› möglich ist, sondern nur in der Weise, daß man gemeinsam an etwas Größerem teilhat. Auch ich vermag nicht die Kopfschmerzen meiner Schwester mitzuempfinden; aber ich finde mich mit ihr in einen Zustand versetzt, wo es keinen Schmerz gibt oder wo auch der Schmerz die schwebenden Flügel der Seligkeit hat!
    Ich bezweifle es, ich sehe die Übertreibung darin. Aber vielleicht geschieht das nur, weil ich nicht der Ekstase fähig bin?
    Zu Lindner müßte ich mich auch ungefähr so verhalten, als wäre ich mit ihm in Gott verbunden. Es genügt auch schon ein kleineres Ganzes wie die Nation oder irgendeine andere Bruderschaft. Wenigstens genügt es, um mir mein Verhalten vorzuzeichnen. Selbst eine gemeinsame Idee genügt. Es muß bloß etwas neues Lebendiges sein, das nicht bloß Lindner und ich ist. So lautet ja auch die Antwort auf Agathes Frage, was ein Widerspruch zweier Bücher bedeute, die man beide liebt: niemals eine Rechnung, ein Abwägen, sondern er bedeutet ein drittes Lebendiges, das beide Seiten in sich hüllt. Und so war das Leben, das mir immer, wenn auch selten deutlich, vor Augen stand: Die Menschen verbunden, ich mit den Menschen verbunden durch irgendetwas, das uns auf unsre hundert Abneigungen verzichten macht. Die Widersprüche und Feindseligkeiten, die es zwischen uns gibt, kann man nicht verleugnen, aber man kann sie sich ‹aufgehoben› denken, so wie der starke Strom einer Flüssigkeit aufhebt, was er auf seinem Weg trifft. Zwischen den Menschen gäbe es dann gewisse Empfindungen nicht, und andere gäbe es. Alle unmöglichen ließen sich zusammenfassen als neutrale und negative; als kleinliche, nagende, verengende, niedrige, aber auch als gleichgültige oder bloß in den notwendigen Beziehungen wurzelnde. So sind die verbleibenden groß, schwellend, fordernd, beschwert, bejahend, steigend: Ich kann das in der Eile nicht ausreichend beschreiben, aber es stak wie ein Traum in der Tiefe meines Körpers, und habe ich nicht am Ende einfach alle Menschen und das Leben lieben wollen?! Ich mit meinen Armen, meinen bis zur Bösartigkeit trainierten Muskeln wäre im Grunde nichts als liebebedürftig und liebestoll? Ist dies die Geheimformel meines Lebens?
    Ich kann mir das vorstellen, wenn ich phantasiere und an die Welt und an die Menschen denke, aber nicht, wenn ich an Lindner denke, den bestimmten, lächerlichen, den Mann, den Agathe morgen vielleicht wieder besucht, um mit ihm zu besprechen, was sie mit mir nicht bespricht. Also bleibt übrig? Daß es zwei ungefähr zu trennende Gruppen von Gefühlen gibt, die ich jetzt wieder nur als positive und negative Zustände bezeichnen möchte, ohne sie damit zu bewerten und bloß nach einer Eigentümlichkeit ihrer Erscheinung; obwohl ich den einen dieser Gesamtzustände aus tiefer (das heißt auch: gut verborgener) Seele liebe. Und es bleibt Wirklichkeit, daß ich mich jetzt in diesem Zustand fast dauernd befinde, und Agathe auch! Vielleicht ist das ein großer Versuch, den das Schicksal mit mir vorhat. Vielleicht ist alles, was ich versucht habe, nur dazu dagewesen, daß ich dieses erlebe. Aber ich fürchte auch, daß sich in allem, was ich bis jetzt zu sehen vermeine, ein Zirkelschluß verbirgt. Denn ich will nicht – wenn ich nun auf das ursprüngliche Motiv zurückgreife – aus dem Zustand der ‹Bedeutung› hinaus, und wenn ich mir sagen will, was Bedeutung sei, so komme ich immer wieder nur auf den Zustand, wie ich bin und wie ich jetzt bin, das ist eben, daß ich aus einem bestimmten Zustand nicht hinauswill! So glaube ich nicht, die Wahrheit zu sehen; aber bloß subjektiv ist, was ich erlebe, gewiß auch nicht, es greift mit tausend Armen nach der Wahrheit. Es könnte mir deshalb wahrhaftig als eine Suggestion erscheinen. Alle meine Gefühle sind ja merkwürdig gleichartig oder gleichgerichtet, und die widerstrebenden sind ausgeschaltet, und ein solcher Affektzustand, der das Handeln einheitlich regelt, ist gerade das, was als das Hauptstück einer Suggestion angesehen wird. Aber kann etwas eine Suggestion sein, dessen Vorankündigung, dessen erste Spur ich beinahe mein ganzes Leben zurück zu verfolgen vermag?
    Also bleibt übrig? Es ist nicht Einbildung und nicht Wirklichkeit; ich müßte, wenn es auch nicht Suggestion ist, beinahe daraus schließen, daß es beginnende Überwirklichkeit sei.»
    [◁]

67
    General von Stumm läßt eine Bombe fallen Weltfriedenskongreß
    Ein

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