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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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also, daß die Veränderungen und Modulationen des Gefühls und die des äußeren und inneren Verhaltens einander Punkt für Punkt entsprechen können, ohne daß das Gefühl dem Verhalten oder einem Teil von ihm gleichgesetzt oder etwas anderes von ihm behauptet werden müßte, als daß es Eigenschaften besitze, die auch anderswo schon Bürgerrecht in der Natur haben. Dieses Ergebnis hat den Vorzug, daß es den natürlichen Unterschied zwischen einem Gefühl und einem Geschehen nicht antastet, und doch so überbrückt, daß er seine Bedeutung verliert. Er beweist auf das allgemeinste, wie sich zwei Geschehensbereiche, die einander völlig unähnlich bleiben können, doch in einander abzubilden vermögen.
    Die Frage, wie denn ein Gefühl aus anderen seelischen, ja sogar aus körperlichen Vorgängen ‹bestehen› solle, erhält dadurch offenbar eine ganz neue und überaus beachtenswerte Wendung; aber es ist auf diese Weise nur erklärt, wie einer jeden Veränderung des Verhaltens eine Änderung des Gefühls entspricht, und umgekehrt, und nicht, wie es wirklich zu solchen Veränderungen kommt, die während der ganzen Dauer des Gefühls stattfinden. Denn wäre, wonach es nun aussieht, das Gefühl bloß das Echo der Gefühlshandlung und diese das Spiegelbild jenes, so ließe sich schwer verstehen, daß sie sich wechselweise verändern.
    Hier hebt sonach der zweite Hauptgedanke an, der sich der neu angebahnten Wissenschaft vom Gefühl entnehmen läßt; ich will ihn den der Ausgestaltung und Verfestigung nennen.»
    «Dieser Gedanke baut sich aus mehreren Vorstellungen und Überlegungen auf. Da ich ihn mir deutlich machen möchte, greife ich zuerst darauf zurück, daß wir sagen, ein Gefühl bewirke ein Verhalten und das Verhalten wirke auf das Gefühl zurück; denn dieser groben Beobachtung laßt sich leicht die bessere entgegensetzen, daß zwischen den beiden eher ein Verhältnis der gegenseitigen Verstärkung und Resonanz besteht, ein schwellendes Ineinanderfassen, wobei freilich beide Teile auch gemeinsam verändert werden. Das Gefühl wird in die Sprache der Handlung übersetzt, und die Handlung in die Sprache des Gefühls, wodurch, wie bei jeder Übersetzung, einiges neu hinzukommt und einiges verlorengeht.
    Unter den einfachsten Verhältnissen spricht davon schon der bekannte Ausdruck, daß ein Schreck in die Glieder fahre; denn es darf ebensogut gesagt werden, daß auch die Glieder in den Schreck führen: ein Unterschied wie der zwischen ‹starrem Schreck› und ‹schlotternder Angst› beruht ganz auf diesem zweiten. Und was damit von der einfachsten Ausdrucksbewegung behauptet wird, gilt auch von der umfangreichen Gefühlshandlung: Also nicht erst als Folge der Handlung, die von ihm hervorgerufen wird, verändert sich ein Gefühl, sondern tut das schon in ihr, von der es auf eigenartige Weise aufgenommen, wiederholt und verändert wird, wodurch sie sich gegenseitig ausgestalten und verfestigen. Auch Gedanken, Wünsche und Antriebe aller Art gehen auf diese Weise in ein Gefühl ein und dieses in sie.»
    «Ein solches Verhältnis setzt aber natürlich auch eine Verschiedenheit des Ineinandergreifenden voraus; denn dieses soll sich staffelartig in der Führung ablösen, so daß bald das Fühlen, bald das Handeln, bald ein Beschluß, Zweifel oder Gedanke überwiegen, die Führung übernehmen und einen Beitrag erstatten, der alle Teile in einer gemeinsamen Richtung vorwärtsbringt. So hegt es in der Vorstellung einer gegenseitigen Ausgestaltung und Verfestigung, die erst dadurch vollständig wird.
    Auf der Gegenseite muß zugleich die zuvor geschilderte Einheit die Fähigkeit haben, Veränderungen aufzunehmen, und dabei doch auch in ihrer Eigenart als ein mehr oder minder bestimmtes fühlendes Verhalten beharren zu können; sie muß aber auch die Fähigkeit auszuschließen haben, denn sie nimmt Einflüsse von innen und außen auf oder wehrt sie ab. Bisher kenne ich von ihr nur das Gesetz ihres fertigen Zustands. Es muß darum auch die Herkunft dieser Einflüsse angegeben werden können und schließlich erklärt werden, dank welcher Vorsehung oder Vorrichtung es dazu kommt, daß sie im Sinne einer gemeinsamen Entwicklung in das Vorhandene eingehen.»
    «Nun kann aller Voraussicht nach der Einheit allein, dem Gebilde als solchem, der bloßen Gestalt des Geschehens ein eigenes Beharrungs- und Wiederherstellungsvermögen, eine Festigkeit und ein Festigkeitsgrad, also auch schließlich eine eigene ‹Energie› nicht

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