Gesammelte Werke
scheint man der Vermutung zu folgen, daß ein und dasselbe, was sich der Beobachtung als mannigfaltiger Vorgang darstelle, im Erlebnis zum Gefühl werde, also daß Gefühl dann das Erlebnis und sozusagen der Bewußtseinsertrag des Vorgangs wäre.
Der Ursprung dieser Widersprüche ist wohl immer der gleiche. Denn jede solche Beschreibung eines Gefühls weist Teile auf, und sogar beiweitem in der Überzahl, die offenkundig keine Gefühle sind, weil sie eben kund gleicher Offenheit Empfindung, Auffassung, Gedanke, Wille oder ein äußerer Vorgang sind, als das jederzeit erlebt werden können und auch gerade so, wie sie sind, in dem Gesamterlebnis mitsprechen. Ebenso deutlich gibt es in oder über alledem aber auch etwas, das an und für sich, im einfachsten und unverwechselbarsten Sinn Gefühl zu sein scheint, und eben nichts anderes; weder ein Handeln, noch ein Denken, noch irgend etwas anderes.
Darum lassen sich auch alle diese Erklärungen in zwei Gruppen zusammenfassen: Entweder bezeichnen sie das Gefühl als eine ‹Seite›, einen ‹Teil›, ein ‹Moment› des Gesamtablaufs, oder sie bezeichnen es als dessen ‹Bewußtwerden›, sein ‹inneres Erlebnis› und ähnliches: Ausdrücke, denen deutlich genug die Verlegenheit um bessere anzumerken ist!
Der eigenartigste Gedanke dieser Lehren ist nun der, daß sie das Verhältnis des Gefühls zu alledem, was es nicht ist, und wovon es doch erfüllt wird, zunächst unbestimmt lassen, dafür aber sehr wahrscheinlich gemacht haben, daß diese Verbindung auf jeden Fall, und wie immer man sie sich im übrigen denken möge, so beschaffen sei, daß sie keine unzusammenhängenden Änderungen zuläßt und daß sich alles gleichsam in einem Atem ändert.
Man denkt es sich nach dem Beispiel der Melodie. In dieser haben die Töne ihre Selbständigkeit und lassen sich einzeln erkennen, und auch ihre Nachbarschaft, ihr Beisammen, Nacheinander, und was sich sonst hören läßt, ist kein bloßer Begriff, sondern bis an den Rand voll sinnlicher Darbietung; aber obwohl sich alles das also trotz seiner Verbundenheit einzeln hören läßt, läßt es sich auch verbunden hören, denn gerade das ist die Melodie, und wird sie gehört, so ist nicht neben den Tönen, Tonabständen und Zeiten etwas Neues da, sondern mit ihnen. Die Melodie kommt nicht als eine Beigabe hinzu, sondern als eine zweite Art zu erscheinen, eine besondere Existenzform, unter der sich die Form der Einzelexistenz gerade noch ausnehmen läßt; und auch das gilt vom Gefühl im Verhältnis zu den Gedanken, Bewegungen, Empfindungen, Absichten und stummen Kräften, die sich in ihm vereinen. Auch so empfindlich, wie es eine Melodie gegen jede Veränderung an ihren ‹Teilen› ist, so daß sie gleich eine andere Gestalt annimmt oder ganz zerstört wird, so empfindlich kann ein Gefühl gegen eine Handlung oder einen hineinsprechenden Einfall sein.
In welchem Verhältnis das Gefühl zum ‹äußeren und inneren Verhalten› also immer stehe, zeigt das, wie jeder Veränderung in diesem eine bestimmte Veränderung in ihm entsprechen könne, und umgekehrt, als wären sie Kehrseiten.»
«(Es gibt viele genaue Schul- und Versuchsbeispiele, von denen die große Tragweite dieses theoretischen Gedankens bestätigt wird, und andere, noch aus der Wissenschaft fallende, die er unsicher erhellt, sei es mit Schein oder Wahrheit. Eines von diesen möchte ich festhalten: Die Inbrunst mancher Bildnisse – und es gibt Bildnisse, nicht nur Bilder, auch von Dingen – beruht nicht zuletzt darauf, daß sich in ihnen das einzelne Dasein in sich hinein öffnet und gegen die übrige Welt abschließt. Denn die selbständigen Gebilde des Lebens, mögen sie sich auch verhältnismäßig geschlossen darstellen, haben doch immer mit dem zerstreuenden Kreis einer wechselnden Umgebung Gemeinschaft. Als ich also Agathe auf den Arm nahm und wir uns beide aus dem Rahmen des Lebens genommen und in einem anderen vereinigt fühlten, war vielleicht etwas Ähnliches mit unserem Gefühl geschehen. Ich kannte das ihre nicht, und sie nicht das meine, aber sie waren nur für einander da, und hingen geöffnet aneinander, während alle andere Abhängigkeit verschwand; und darum sagten wir, wir wären aus der Welt gewesen, und in uns, und haben für dieses bewegte Ein- und Innehalten, diese wahre Einkehr und dieses Einswerden aus fremden Teilen den sonderbaren Vergleich mit einem Bild gebraucht.)»
«Der eigentümliche Gedanke, von dem ich zu reden habe, lehrt
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