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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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waren, wie man fordern dürfte.
    Überhaupt ist die heimliche Spottsucht der Frau ein Kapitel, das eng mit ihrem Unverständnis für die wichtigsten männlichen Angelegenheiten zusammenhängt; und in dem Augenblick, als Lindner sich daran erinnerte, gaben die geistigen Vorgänge, die sich bis dahin ohne deutliche Gestalt in ihm gewälzt hatten, den Gedanken an Agathe frei. Wie mochte sie sein, wenn man innig mit ihr zusammen lebte? «Sie ist ohne Zweifel nicht das, was man beruhigt einen guten Menschen nennen möchte. Sie macht ja nicht einmal ein Hehl daraus!» sagte er sich, und einer ihrer Aussprüche, der ihm dabei einfiel, die lachende Behauptung, daß die guten Menschen heute an der Verderbnis des Lebens nicht weniger Schuld trügen als die schlechten, sträubte ihm die Haare. Aber er hatte diesen «fürchterlichen Ansichten», wenn sie ihn auch jedesmal von neuem erregten, im ganzen doch schon «die Giftzähne ausgebrochen», indem er sich ein für allemal davon die Erklärung gemacht hatte: «Sie kennt die Wirklichkeit nicht!» Denn er hielt Agathe für ein edles Wesen, wenn auch für eine «Evatochter» voll böser Unruhe. Das rechte Verhalten, so gewiß es dem Gläubigen ist, ihr schien es der denkungewisseste Gegenstand, die Lösung der äußersten und schwierigsten Aufgabe des Lebens zu sein! Sie schien sich eine traumhaft verworrene Vorstellung von Güte und Recht zu machen, eine ordnungsfeindliche, die nicht mehr Zusammenhang besaß als eine zufällige Zusammenstellung von Gedichten. «Sie ist wirklichkeitsfremd!» wiederholte er. «Kennte sie beispielsweise die Liebe, wie möchte sie so zynische Äußerungen darüber machen, daß sie unmöglich sei und dergleichen!» Es mußte ihr also die wahre Liebe gezeigt werden.
    Aber da bereitete Agathe nun wieder neue Schwierigkeiten. Wollte er es sich nur ungescheut und mutig eingestehen: sie war verletzend! Sie riß allzu gerne von seinem Piedestal, was man sorgsam hochstellte; und tadelte man sie, so hielt sich ihre Kritik vor nichts zurück, und sie zeigte offen, daß sie verletzen wolle. Es gibt solche Naturen, die wider sich selbst wüten und nach der Hand schlagen, die ihnen Hilfe bringt; aber ein fester Mann wird sein Verhalten nie vom Verhalten anderer abhängen lassen, und in diesem Augenblick hatte Lindner das Bild eines ruhigen Mannes mit langem Bart vor sich, der sich über eine ängstlich abwehrende Kranke beugt und eine Wunde ganz tief an ihrem Herzen sieht. Der Augenblick war fern von Logik, und so war damit nicht gesagt, daß er selbst dieser Mann sei; aber Lindner richtete sich auf, und das tat er wirklich, griff nach seinem Bart, der inzwischen sehr an Fülle verloren hatte, und eine nervöse Röte überflog sein Antlitz. Es war ihm erinnerlich geworden, daß Agathe die verwerfliche Gewohnheit besaß, ihn mehr, als es je ein anderer Mensch zuwege gebracht hätte, in den Glauben zu versetzen, sie vermöchte seine erhabensten und seine geheimsten Gefühle zu teilen, ja sie warte in ihrer bedrängten eigenen Lage sogar auf eine besondere Anstrengung von deren Seite, um ihn dann, wenn er die Schätze seines Inneren preisgab, höhnisch zu beleidigen. Sie beflügelte ihn! Lindner gestand es sich ein und hätte auch nicht anders können, denn in seiner Brust war ein fremdes, unruhiges Gefühl, das man lieblos, was ihm freilich fern lag, mit einem Korb voll Hühner hätte vergleichen können, die durcheinander drängen. Aber dann konnte sie auch mit einemmal auf äußerst unbestimmbare Art lachen oder etwas weltlich Liebloses andeuten, das ihn ins Herz schnitt, als hätte sie alles nur darauf angelegt gehabt, ihn zu täuschen! Und hatte sie ihn denn nicht auch heute, noch ehe sie da war, schon in eine solche Lage gebracht, mit diesem Klavier, fragte sich Lindner. Er sah es an. Wie eine Hausmagd stand es neben ihm, an der sich der Herr vergangen hat!
    Er konnte nicht wissen, was Agathe bewog, ihr Spiel mit ihm zu treiben, und sie selbst hätte sich mit niemand darüber aussprechen können, durchaus nicht einmal mit Ulrich. Sie verhielt sich launenhaft; aber sofern das heißt, mit wechselndem Gefühl, geschah es doch auch mit Absicht und bedeutete ein Rütteln und Lockern des Gefühls, wie ein Mensch seine Glieder dehnt, auf denen eine süße Schwere lastet. So hatte die wunderliche Anziehung, die sie mehrmals heimlich zu Lindner führte, von Anfang an eine Widersetzlichkeit gegen Ulrich, oder doch gegen die völlige Abhängigkeit von ihm, enthalten;

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