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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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daß das «bestimmte Gefühl» allemal einem Etwas gilt, einer Lebenslage entspringt, ein Ziel hat und sich in einem mehr oder minder eindeutigen Verhalten ausdrückt, wogegen eine Stimmung von alledem ungefähr das Gegenteil zeigt: sie ist umfassend, ziellos, ausgebreitet, untätig, enthält bei aller Deutlichkeit etwas Unbestimmtes und ist bereit, sich auf jeden Gegenstand zu ergießen, ohne daß etwas geschieht und ohne daß sie sich dabei ändert. So entspricht dem bestimmten Gefühl ein bestimmtes Verhalten zu etwas und dem unbestimmten ein allgemeines, ein Verhalten zu allem, und das eine zieht uns in Geschehen, während uns das andere bloß hinter einem farbigen Fenster daran teilnehmen läßt.
    Bei diesem Unterschied, wie sich bestimmte und unbestimmte Gefühle zur Welt verhalten, verweilte Ulrich jetzt einen Augenblick. Er sagte sich: «Ich werde dies anfügen: Wenn sich ein Gefühl zur Bestimmtheit entwickelt, spitzt es sich gewissermaßen zu, es verengt seine Bestimmung und endet schließlich außen und innen wie in einer Sackgasse; es führt zu einer Handlung oder zu einem Beschluß, und wenn es darin auch nicht aufhört zu sein, so geht es doch später so verändert weiter wie Wasser hinter der Mühle. Entwickelt es sich hingegen zur Unbestimmtheit, so hat es anscheinend gar keine Tatkraft. Aber während das bestimmt entwickelte Gefühl an ein Wesen mit greifenden Armen erinnert, verändert das unbestimmte die Welt auf die gleiche wunschlose und selbstlose Weise, wie der Himmel seine Farben, und es verändern sich in ihm die Dinge und Geschehnisse wie die Wolken am Himmel; das Verhalten des unbestimmten Gefühls zur Welt hat etwas Magisches an sich und – Gott helfe mir! – im Vergleich mit dem bestimmten etwas Weibliches!» So sagte sich Ulrich, und dann fiel ihm etwas ein, das weit verführte: denn natürlich ist es vornehmlich die Entwicklung zum bestimmten Gefühl, was die Unbeständigkeit und Hinfälligkeit des seelischen Lebens nach sich zieht. Daß man niemals den Augenblick des Fühlens festhalten kann, daß die Gefühle rascher verwelken als Blumen oder daß sie sich in Papierblumen verwandeln, wenn sie erhalten bleiben wollen, daß das Glück und der Wille, die Kunst und Gesinnung vorbeigehn, alles dies hängt von der Bestimmtheit des Gefühls ab, die ihm auch eine Bestimmung unterschiebt und es in den Gang des Lebens zwingt, von dem es aufgelöst oder verändert wird. Dagegen ist das in seiner Unbestimmtheit und Unbegrenztheit verharrende Gefühl verhältnismäßig unveränderlich. Ein Vergleich fiel ihm ein: «Das eine stirbt wie ein Einzelwesen, das andere dauert an wie eine Art oder Gattung.» Vielleicht wiederholt sich dabei in der Einrichtung des Gefühls sogar wirklich, wenn auch sehr mittelbar, eine allgemeine Lebenseinrichtung; er vermochte es nicht abzuschätzen, hielt sich aber auch nicht damit auf, denn in der Hauptsache meinte er nun so deutlich wie noch nie zuvor zu sehen.
    Er wäre jetzt bereit gewesen, auf sein Zimmer zurück zu eilen, verweilte aber doch noch ein wenig, denn er wollte zuvor den ganzen Plan im Kopf überschlagen, ehe er ihn schriftlich ausführe. «Ich habe von zwei Entwicklungsmöglichkeiten und Zuständen ein und desselben Gefühls gesprochen,» überlegte er «aber dann muß natürlich auch schon am Ursprung des Gefühls etwas sein, womit das anheben kann. Und wirklich zeigen ja auch die Triebe, die unsere Seele mit einem Leben speisen, das fast noch wie Tierblut ist, schon diese zweiteilige Anlage. Ein Trieb treibt zum Handeln, und das ist anscheinend seine Hauptaufgabe; aber er stimmt auch die Seele. Hat er noch kein Ziel gefunden, so ist sogar das unbestimmte Sichweiten und -dehnen an ihm sehr deutlich, ja, es werden sich viele Leute finden, die gerade darin das Anzeichen eines erwachenden Triebes sehen; zum Beispiel des Geschlechtstriebs, aber natürlich gibt es auch eine Sehnsucht des Hungers und anderer Triebe. So ist im Trieb also das Bestimmte und das Unbestimmte. Ich werde hinzufügen,» dachte Ulrich «daß die leiblichen Organe, die daran beteiligt sind, daß die Außenwelt einen Affekt in uns weckt, diesen bei anderer Gelegenheit auch selbst hervorbringen können, wenn sie von innen gereizt werden; mehr braucht es gar nicht, um bis zur Ekstase zu gelangen!»
    Dann besann er sich darauf, daß nach den Ergebnissen der Forschung und erst recht nach der Auslegung, die er ihnen in seinen Aufzeichnungen gab, auch anzunehmen sei, daß der Ansatz zu

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