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Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Theodor Adorno
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erkenntnistheoretischen Konsequenzen. Wenn zwischen »Dingwahrgenommenem als solchem« und »Ding schlechthin« nicht unterschieden werden darf, welchen Sinn hat es dann, das »Dingwahrgenommene als solches« und ähnlich das »Erinnerte, Gefühlte, Geurteilte als solches« dem Begriff des Noema zuzuweisen? Wenn dies alles unter dem Titel »Noema« befaßt wird, wie werden dann mittelbar gegebene reale Inhalte von mittelbar gegebenen idealen Inhalten, wie Phänomenales von Dinglichem getrennt? Und wenn der Begriff des Noema eine solche Unterscheidung nicht in sich birgt – dürfen wir ihn dann zum Kanon der nach Husserl fundamentalen erkenntnistheoretischen Disjunktion machen? All dies wird zu prüfen sein, und die Kritik wird endlich zurückschlagen auf den Begriff der phänomenologischen epoxh selber, der für so fragwürdige Begriffe wie den der noematischen Transzendenzen Raum bietet.
    Husserl versucht durch die Kontrastierung von »reellen« und »intentionalen« Erlebnisbestandteilen dem Unterschied von unmittelbar und mittelbar Gegebenem doch noch gerecht zu werden. Indessen diese Kontrastierung ist wenig glücklich. Sie ist es um so weniger, als die Undeutlichkeit des Terminus »reell« Husserl leicht dazu verführt, literarischen Gegnern Auffassungen zuzuschreiben, die jene gar nicht hegen. Husserl braucht das Wort »reell« im Gegensatz zu »real« und führt damit gleichsam zwei Realitätsbegriffe ein; das ist erstaunlich, zumal er ja gerade in seinem Kampf gegen die Bilder- und Zeichentheorie – und mit gutem Grunde – gegen die Doppelheit des Realitätsbegriffes sich wendet. In der fünften Logischen Untersuchung des zweiten Bandes findet sich eine ungemein bezeichnende Anmerkung zur Terminologie. Sie lautet: »›Real‹ würde neben ›intentional‹ sehr viel besser klingen« – als reell –, »aber es führt den Gedanken einer dinghaften Transzendenz, der gerade durch die Reduktion auf die reelle Erlebnisimmanenz ausgeschaltet werden sollte, sehr entschieden mit sich. Wir tun gut, dem Worte ›real‹ die Beziehung auf das Dinghafte vollbewußt beizumessen.« 175 Das wären ja gerade die zwei Realitäten, die Husserl so heftig bekämpft: die Realität der »transzendenten Dinge« und die Realität der »immanenten Erlebnisse«. Husserl wäre aus dem Dilemma befreit, wenn er sich entschließen wollte, nicht nur den »Gedanken einer dinghaften Transzendenz«, sondern auch den Namen einer solchen auszuschalten; dann käme er mit dem Worte »real« aus, das dann alle Gegenstände unter sich befaßte, die zu »irgend einer Zeit als unmittelbar gegeben zu denken sind« 176 .
    Wenn Husserl unsere Anschauung dahin charakterisieren will, daß wir annähmen, »im Erlebnis gegeben sei die Intention mit ihrem intentionalen Objekt, das als solches ihr unabtrennbar zugehöre, also ihr selbst
reell
einwohne. Es sei und bleibe ja ihr vermeintes, vorstelliges u. dgl., ob das entsprechende ›wirkliche Objekt‹ eben in der Wirklichkeit sei oder nicht sei, inzwischen vernichtet worden sei usw.« 177 , so ist zunächst daran zu erinnern, daß wir gerade
nicht
glauben, das intentionale Objekt wohne seiner Intention »reell« inne, oder, wie wir lieber sagen, es sei »real«, d.h. unmittelbar gegeben. Gegeben ist es uns mittelbar, nämlich durch das intentionale Erlebnis. Ob das Objekt selbst ein »realer« Gegenstand oder ein »idealer« Gegenstand ist, ob es irgendwann einmal selbst Erlebnis war, ist eine andere Frage – die nach Husserls allgemeinen Angaben zu schlichten unmöglich ist. – Auch daß das Objekt unser vermeintes usw. bleibe, auch wenn das »Ding in der Wirklichkeit« vernichtet worden sei, trifft nicht unsere Auffassung. Ein anderes Ding als »unser vermeintes« gibt es nicht; wird es vernichtet 178 , so bleibt es eben nicht dasselbe, sondern verändert sich gemäß dem höheren gesetzmäßigen Zusammenhang; hinsichtlich des Individualgesetzes wird das Existentialurteil aufgehoben. Lassen wir das Existentialurteil bestehen, so urteilen wir falsch.
    Husserls Polemik gegen die Bildertheorie kann also unserer Auffassung nichts anhaben. Wir reden nicht von einem »zweiten immanenten Baum«, sagen nicht, daß »ein ›inneres Bild‹ des wirklichen, dort draußen vor mir stehenden Baumes« 179 uns wie immer gegeben sei. Das immanente Ding an sich ist kein Erlebnis und kann schon darum nicht Bewußtsein
von
etwas anderem sein – nur Erlebnisse haben symbolische Funktion. Zum anderen aber gibt es kein

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