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Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Theodor Adorno
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wo anders sollte die Wahrheit jener Aussage sich legitimieren können, als im Zusammenhang unseres persönlichen Bewußtseins? – Und weiter: was heißt es, daß der »Sinn unserer Wahrnehmung«, das »Baumwahrgenommene als solches«, Sinn
dieser
Wahrnehmung, ein »notwendig zu ihrem Wesen Gehöriges« sei? Daß es
nur
Sinn »dieser Wahrnehmung« sei? Wie würde das zu der Tatsache stimmen, daß der Baum doch als
Identisches
bewußt ist, einer Tatsache, die eine rein im Rahmen der Gegebenheit vollzogene Deskription gewiß nicht unbeachtet lassen dürfte, wenn anders sie
alles,
was im Erlebnis zur Gegebenheit kommt, deskribieren will. – Schließlich aber – und das entscheidet – ist es geradezu
falsch,
zu sagen, das »Baumwahrgenommene als solches« könne nicht abbrennen. Nicht abbrennen kann das Wahrnehmungs
erlebnis
– von dem dinglichen Zusammenhang, den es symbolisiert, kann jedoch sehr wohl gesagt werden, er »könne abbrennen«, d.h. sich in einen höheren gesetzmäßigen Zusammenhang einordnen, und sehr wohl kommen diesem Zusammenhang bestimmte Eigenschaften zu. Wenn Husserl das bestreitet und den Sinn der Rede vom Noema Baum an das tatsächliche Eintreten bestimmter Erscheinungen (an »diese Wahrnehmung«) gebunden glaubt, so übersieht er zunächst, daß
»die Beziehung zwischen Bedingung und Bedingtem ... nur eine ideale«
174 ist; daß nur,
wenn
ich die vom Individualgesetz geforderten Bedingungen erfülle, die erwarteten Erscheinungen eintreten müssen; darauf beruht ja gerade die »objektive Existenz« des Dinges, seine »Unabhängigkeit von der Erscheinung« im Sinne der »Transcendentalen Systematik«. Das Urteil: »dieser Baum ist nicht abgebrannt« aber besagt, daß,
nachdem
ich die von dem betreffenden Individualgesetz vorgezeichneten Bedingungen erfüllt habe, die erwarteten Phänomene nicht eintreten. Treten die erwarteten Phänomene nicht ein, so müssen wir suchen, die Abweichung von dem Individualgesetz ihrerseits als Fall eines gesetzmäßigen Zusammenhanges zu begreifen oder, wie die übliche Rede lautet, sie »kausal zu erklären«. Da auch diese neue Gesetzmäßigkeit wieder ausschließlich in Phänomenalem fundiert sein muß, so können wir von der Veränderung eines Dinges reden, ohne um Haaresbreite über den Zusammenhang unseres persönlichen Bewußtseins hinauszugehen. Das »Baumwahrgenommene als solches«
kann
also »abbrennen«, d.h. unser immanentes Ding an sich kann sich nach Maßgabe eines höheren gesetzmäßigen Zusammenhanges verändern. Dies bestreiten, heißt entweder das Ding mit seiner Erscheinung verwechseln oder den Ausdruck »abbrennen« naturalistisch mißverstehen.
    Es liegt nahe, sich durch die Formulierung verwirren zu lassen, daß der »Sinn« der Wahrnehmung nicht abbrennen könne. Demgegenüber muß man sich völlig klar machen, was denn hier mit »Sinn« gemeint ist.
Wir
verstehen unter Sinn den
dinglichen
Zusammenhang, den uns das gegenwärtige Erlebnis symbolisch vermittelt: und dieser »Sinn« kann »abbrennen«, d.h. in der bezeichneten Weise sich verändern. Nur darf man nicht glauben, ein naturalistisches »psychisches Gebilde« ginge naturalistisch »in Flammen auf«. Auch der Verbalausdruck »verbrennen« empfängt selbstverständlich seine Bedeutung gemäß dem Bewußtseinszusammenhang – Husserl aber scheint an
Phänomenales
zu denken und dabei nach der Weise der Brentanoschen Scheidung zwischen dem unmittelbar Gegebenen und dem Akt, durch den es gegeben wird, zwischen »Aktsinn« und »Akt« zu unterscheiden. Diesen Aktsinn aber gibt es nicht. Darum kann er sich nicht verändern. – Weiter muß man sich hüten vor einem durch den
sprachlichen Ausdruck
leicht sich ergebenden Irrtum. Es erscheint einleuchtend, daß das »Noema« oder auch das »immanente Ding an sich« nicht »abbrennen«, nicht sich verändern könne. Aber man verwechselt bei solcher Annahme den Begriff des »Noema überhaupt«, des »immanenten Dinges an sich überhaupt« mit den unter diesen Begriff fallenden einzelnen Noemen bzw. Dingen. Der
Begriff
des Dinges an sich folgt notwendig aus den transzendentalen Bedingungen unseres Bewußtseins und ist darum als solcher unveränderlich. Aber die unter diesen Begriff des Dinges an sich fallenden Einzeldinge können sich sehr wohl verändern.
Einzelne Dinge können abbrennen.
    Die an Husserls Beispielanalyse gewonnene Einsicht von der Unzulässigkeit der Scheidung von unreduziertem und reduziertem Ding hat ihre weitreichenden

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