Gesammelte Werke
Weltbild aussieht – zu ihrer Beantwortung bedürften wir keiner Phänomenologie und keiner Reduktionen –, sondern wie es sich legitimiert. Indem Husserl diese Frage von der Diskription der Bewußtseinstatbestände und ihres Zusammenhanges absondert, hypostasiert er ein Kriterium für die Legitimität der »natürlichen Welt«, das
unabhängig
vom Rekurs auf die unmittelbaren Vorfindlichkeiten gilt. Damit wird ihm die epoxh zu einem bloß heuristischen Mittel, die Beziehung zwischen dem Bewußtsein und einer ihm transzendenten »Wirklichkeit« klarzustellen. Wir können nach Husserl die epoxh vollziehen, wir können sie auch nicht vollziehen, an der »Wirklichkeit« wird dadurch nichts geändert.
Demgegenüber versichern wir uns, daß der Rekurs auf die unmittelbaren Gegebenheiten und die Prüfung des Rechtsanspruches der natürlichen Welt ein und dasselbe ist. Den vagen Begriff der »Wirklichkeit«, mit dem Husserl operiert, und der letztlich in der Annahme einer transzendenten Dingwelt gründet, verwerfen wir. Die Korrelation von »Wirklichsein« und »Vernünftig-ausweisbar-sein«, von der Husserl redet, hat für uns den klaren Sinn, daß wir alles Dingliche zu prüfen haben als gesetzmäßigen Zusammenhang der Phänomene, so wie er in reiner Deskription der Phänomene sich uns darstellt. Um zu exemplifizieren: nicht verhindert »die ›Einklammerung‹, die die Wahrnehmung erfahren hat, ... jedes Urteil über die wahrgenommene Wirklichkeit« 181 , sondern allein in der »Einklammerung«, d.h. in reiner Gegebenheit, konstituieren sich die Dinge, und die Entscheidung über die
Wahrheit
eines dinglichen Urteils (so und nicht von einer bewußtseinsunabhängigen »Wirklichkeit der Dinge« haben wir zu reden) hängt davon ab, ob bei Erfüllung der vom Individualgesetz verlangten Bedingungen die erwarteten Erlebnisse eintreten oder nicht. Unser Begriff der epoxh – wenn wir einen solchen anwenden wollten – wäre also weit radikaler als der Husserlsche; uns handelt es sich nicht um ein heuristisches Mittel, Einblick in die Beziehung von »Wirklichkeit« und »Bewußtsein« zu erlangen, sondern um den allein möglichen Rechtsausweis dinglicher Erkenntnisse. Da uns der Rekurs auf die Bewußtseinsvorfindlichkeiten nicht die Ausklammerung der Dingwelt, sondern vielmehr die Begründung der Dingwelt bedeutet, bedürfen wir nicht einmal des Namens der »epoxh« und der »Reduktionen«. Alle Aussagen, die den Anspruch auf wissenschaftliche Gültigkeit machen, d.h. bei denen die Frage nach der Wahrheit sinnvoll gestellt werden kann, haben ihr letztes Kriterium im Zusammenhang unseres persönlichen Bewußtseins.
Die Unzulässigkeit der Unterscheidung von reduziertem und unreduziertem Ding hat sich uns unter einem neuen, allgemeineren Gesichtspunkt bestätigt. Hatten wir oben 182 das dingliche Noema mit unserem immanenten Ding an sich konfrontiert und dabei die Einsicht gewonnen, daß beide rechtmäßigerweise nicht zu trennen sind, so hat unsere Kritik der Husserlschen epoxh uns zu der Erkenntnis gebracht, daß die Rede von einer natürlichen »Wirklichkeit«, der die dinglichen Noemata entgegengesetzt sein sollen, einer »Wirklichkeit«, die unabhängig vom Bewußtseinszusammenhang besteht, unstatthaft ist. Nur historischer, nicht systematischer Forschung ist es erlaubt, die »natürliche Einstellung« hinzunehmen; der systematischen Forschung wird sie notwendig Gegenstand der
Kritik.
Versucht man wie Husserl, die Deskription und die Frage nach der Wirklichkeit der natürlichen Welt zu trennen, so entgeht man bloß scheinbar der kritischen Aufgabe: die »Realität eines Individualgesetzes« 183 , also die Wirklichkeit der Dinge (Wirklichkeit streng in dem Sinne verstanden, den »Realität« an der angeführten Stelle der »Transcendentalen Systematik« hat) legitimiert sich bloß im Zusammenhang des persönlichen Bewußtseins, dessen Deskription Aufgabe der Phänomenologie ist.
Das Verhältnis des dinglichen Noema und des immanenten Dinges an sich ist unablösbar verbunden mit dem Problem der angeblichen dinglichen Transzendenz und mußte darum auch hier verflochten mit jenem behandelt werden. Indem erkannt wird, daß »Ding schlechthin« und dingliches Noema das gleiche ist, kann auch nach einem transzendenten Ding nicht mehr gefragt werden.
Husserls Begriff des Noema hat sich uns völlig zersetzt. Da das Noema weder dem Bewußtsein immanent, noch ihm transzendent sein soll, weiß man nicht, wo man es überhaupt zu
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