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Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Theodor Adorno
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sprach er unablässig und marktschreierisch wie ein Vertreter, Ich dachte: ein stellenloser Schauspieler. Aber er gab sich mit den heftigen Reden und Gesten nicht zufrieden, sondern begann Charon – der undeutlich blieb – aufs erbarmungsloseste zu verprügeln. Er erklärte dazu, er sei Amerikaner und lasse sich das alles überhaupt nicht gefallen, man dürfe ihn nicht in eine Box sperren. Ihn grüßte ungeheurer Beifall wie einen Champion. Dann schritt er am Publikum vorbei, das durch einen Cordon von ihm getrennt war. Ich schauderte, fand das Ganze lächerlich, hatte aber vor allem Angst, die Volksmenge gegen uns aufzubringen. Als er zu uns kam, sagte A. ihm etwas Anerkennendes über die sehr begabte Leistung. Seine Antwort, die nicht freundlich war, habe ich vergessen. Darauf begannen wir uns nach dem Schicksal der Personen aus Carmen im Jenseits zu erkundigen. »Micaela – sieht sie gut aus?« fragte A. »Schlecht«, antwortete Don Juan wütend. »Aber Carmen geht es doch gut«, redete ich ihm zu. »Nein«, sagte er nur, aber es schien, als lasse seine Wut nach. Da tutete es acht Uhr vom Hudson, und ich wachte auf.
     
    Los Angeles, 1. Februar 1942
    Am Untermainkai in Frankfurt geriet ich in den Aufmarsch einer arabischen Armee. Ich bat den König All Feisal mich durchzulassen und er willfahrte. Ich betrat ein schönes Haus. Nach undeutlichen Vorgängen wurde ich in einen anderen Stock gewiesen, zum Präsidenten Roosevelt, der da sein kleines Privatbüro hatte. Er nahm mich aufs herzlichste auf. Aber wie man zu Kindern redet, sagte er mir, ich müsse nicht die ganze Zeit aufpassen und dürfe mir ruhig ein Buch nehmen. Es kam allerlei Besuch, kaum daß ich aufmerkte. Endlich erschien ein großer sonnverbrannter Mann, dem Roosevelt mich vorstellte. Es war Knudsen. Der Präsident erklärte, nun handle es sich um Defense-Angelegenheiten, und er müsse mich bitten hinauszugehen. Ich müsse ihn aber unbedingt wieder aufsuchen. Auf einen kleinen schon beschriebenen Zettel kritzelte er seinen Namen, seine Adresse und seine Telefonnummer. – Der Lift brachte mich nicht ins Parterre zum Ausgang, sondern ins Souterrain. Dort drohte die größte Gefahr. Blieb ich im Schacht, mußte der Lift mich zermalmen; rettete ich mich auf die Erhöhung, die ihn umgab – ich reichte kaum hinauf – so verfing ich mich in Drahtseilen und Stricken. Jemand riet mir, ich solle es auf einer anderen, wer weiß wo gelegenen Erhöhung versuchen. Ich sagte etwas von Krokodilen, aber folgte dem Rat. Da kamen auch schon die Krokodile. Sie hatten die Köpfe außerordentlich hübscher Frauen. Eine redete mir gut zu. Gefressenwerden tue nicht weh. Um es mir leichter zu machen, verhieß sie mir zuvor noch die schönsten Dinge.
     
    Los Angeles, 22. Mai 1942
    Wir gingen, Agathe, meine Mutter und ich, auf einem Höhenweg von rötlicher Sandsteinfarbe, wie sie mir von Amorbach vertraut ist. Aber wir befanden uns an der Westküste Amerikas. Links in der Tiefe lag der Stille Ozean. An einer Stelle schien der Fußweg steiler zu werden oder nicht weiterzugehen. Ich machte mich daran, rechts durch Felsen und Gestrüpp einen besseren zu suchen. Nach wenigen Schritten kam ich auf ein großes Plateau. Ich dachte, nun hätte ich den Weg gefunden. Aber bald entdeckte ich, daß überall die Vegetation die steilsten Abstürze verdeckte und daß keine Möglichkeit war, auf die Ebene zu kommen, die sich landeinwärts erstreckte und die ich irrtümlich für einen Teil des Plateaus gehalten hatte. Dort sah ich, beängstigend regelmäßig, Gruppen von Menschen mit Apparaten verteilt, Geometer vielleicht. Ich suchte den Pfad zurück auf den ersten Weg, fand ihn auch. Als ich bei meiner Mutter und Agathe ankam, kreuzte lachend ein Negerpaar unseren Weg, er in breit karierten Hosen, sie in grauem Sportkostüm. Wir gingen weiter. Bald begegnete uns ein Negerkind. Wir müssen nahe bei einer Siedlung sein, sagte ich. Da waren einige Hütten oder Höhlen aus Sand oder in den Berg eingesprengt. Durch eine führte ein Torweg. Wir schritten hindurch und standen, vor Glück erschüttert, auf dem Platz der Residenz zu Bamberg. – Das Miltenberger Schnatterloch.
     
    Los Angeles, Anfang Dezember 1942
    Ich nahm an einem großen, ungemein anspruchsvollen Bankett teil. Es spielte sich in einem mächtigen Gebäude ab, wohl im Frankfurter Palmengarten. Die Räume und Tische waren einzig von Kerzen beleuchtet, und es bereitete große Schwierigkeit, zur Tafel oder den Tischen, an denen

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