Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Theodor Adorno
Vom Netzwerk:
über Fragebogen, Interviews und aufgezeichnete Beobachtungen bis zu den etwa 1800 Niederschriften Zehn- und Vierzehnjähriger, einer in ihrer Weise einzigartigen Quelle soziologischer und psychologischer Einsicht. Die meisten ›Forschungsinstrumente‹ lieferten jeweils sowohl objektiv-institutionelle wie subjektiv-sozialpsychologische Daten.
    Diese natürliche Zweigliederung des gesammelten Materials empfahl als Hauptfragestellung die nach der Relation der beiden Bereiche, der sozialen Objektivität und des sozialen Verhaltens. Wesentlich für den gewählten Gegenstand war die Katastrophe des Bombenangriffs vom 11. September 1944. In den Vordergrund trat, wie die Darmstädter auf die danach herrschenden, selber bis ins einzelne dargestellten Verhältnisse reagierten.
    Selbstverständlich war es nicht möglich, die gesamten Resultate in den Dualismus Institutionen-Reaktionen einzuspannen. Keineswegs durfte dieser zur methodologischen Zwangsjacke werden. Überdies brachte das Stadt-Land-Problem eine zusätzliche Dimension in die Untersuchung, die nicht ohne weiteres dem generellen Thema sich eingliederte. Viele Befunde reihten sich an dieses an, ohne sich ihm streng unterzuordnen. Im übrigen geht der Umfang des vom Projekt gesammelten Materials weit über das hinaus, was in den Monographien ausgebreitet ist; und vom dargebotenen Stoff bleibt vieles noch der weiteren Interpretation bedürftig. Doch hat sich die leitende Idee sogar für die drei Agrarmonographien als fruchtbar bewährt insofern, als zur Gesamtdarstellung der Verhältnisse und einer vorwiegend ökonomisch-soziologischen Spezialstudie eine subjektiv gerichtete hinzutrat, die anhand von Fragebogenmaterial den Reaktionen der Menschen auf die objektiven Bedingungen, zumal eben die Urbanisierungstendenz und die ländlich-städtischen Übergangsformen, nachgeht.
    Die Monographie »Behörde und Bürger« hat das Grundthema, Institutionen und Reaktionsweisen, modellartig behandelt, mußte aber, um ihrer Pointiertheit willen ebenso wie wegen des begrenzten Materials, das zur Verfügung stand, auf jene innere Breite verzichten, ohne welche die Verzweigungen des Verhältnisses von Menschen und Institutionen wohl kaum ganz sich verfolgen lassen.
    Anders ist das in den Jugenduntersuchungen. Ihnen gestattete ein großer Reichtum an Information, anstelle allgemeiner »attitudes« zu irgendwelchen Institutionen die spezifischen Erfahrungen zu entfalten, welche die Jugendlichen mit ihrer privaten Umwelt und mit der Schule machen, und zu studieren, wie sie darauf ansprechen.
     
    Das Buch von Gerhard W.
Baumert
orientiert sich in seiner Disposition streng an der Leitidee des Gesamtprojektes. Der erste Teil beschreibt eingehend die Lebensverhältnisse der Darmstädter Nachkriegsjugend: die Wohnbedingungen, insbesondere die nach der Katastrophe, die familiale Umwelt und die außerhalb der Schule wirksamen Faktoren der Erziehung. Thema des zweiten Teiles sind die Reaktionsweisen der Jugendlichen. Das Erhebungsmaterial wird mit Hilfe sozialpsychologischer, zuweilen auch psychoanalytischer Kategorien interpretiert. Wie die Jugendlichen auf die dingliche und die personelle Umwelt ansprechen, wird dabei ebenso deutlich wie ihre Interessen und Lebenserwartungen.
    Einige der Ergebnisse mögen hervorgehoben werden. Trotz Krieg, Bombenkatastrophe, Geldentwertung und Währungsreform entspricht die soziale Differenzierung der vor dem Kriege oder ähnelt ihr wenigstens sehr. Die oft gehörte These, durch das Geschehene sei die deutsche Gesellschaft ökonomisch, soziologisch und psychologisch nivelliert worden, kann, zunächst für den behandelten Sektor, durch die Monographie von Baumert – wie übrigens auch durch zahlreiche Befunde aus anderen Teilstudien des Projekts – als widerlegt gelten. Die Differenzierung betrifft die objektive Seite – also etwa die Wohnverhältnisse – ebenso wie die subjektive: das Bewußtsein der Jugendlichen von ihrem jeweiligen ›Status‹. Dabei scheinen, in Übereinstimmung mit einer längst bekannten sozialwissenschaftlichen Einsicht, die ideologischen Differenzierungen rascher sich wieder herzustellen als die materiellen Unterschiede von einst; oder vielleicht: hierarchisches Standesbewußtsein erhält sich noch am Leben, während die materielle Basis sich bereits umgewälzt hat. Freilich ist nicht zu verkennen, daß auch die ökonomischen Unterschiede in Deutschland sich längst wiederum sehr markieren. Man hat Grund zur Annahme, daß derlei

Weitere Kostenlose Bücher