Gesammelte Werke
Analyse selbst und ihre Resultate in bestimmter Richtung.
Die Fruchtbarkeit des Buches von Bergmann dürfte darin zu suchen sein, daß es solche Einsichten nicht allgemein, von oben her exponiert, sondern sie bis ins einzelne, und darum stringent, an einem so repräsentativen Modell wie dem Parsons'schen System entwickelt. Der Gegensatz zwischen einer positivistischen und einer dialektischen Konzeption von der Gesellschaft rückt mehr stets ins Bewußtsein und spitzt sich zu. Bergmann trägt dazu bei, daß die einander opponierenden Schulen nicht starr und dogmatisch sich hinter ihren Axiomen verschanzen, sondern daß ihre Argumente kraft genuiner Diskussion ineinandergreifen. Manche Fragen, die man vermeintlich letzten Grundpositionen zuzuschreiben geneigt ist, erweisen sich in einem solchen Verfahren als objektiv entscheidbar.
Juni 1967
Fußnoten
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Von Adorno und Ludwig von Friedeburg unterzeichnet.
Manfred Teschner, Politik und Gesellschaft im Unterricht. Eine soziologische Analyse der politischen Bildung an hessischen Gymnasien. Frankfurt a.M. 1968. (Frankfurter Beiträge zur Soziologie. 21.)
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Das Buch von Teschner möchte helfen, die theoretischen und praktischen Überlegungen zur Reform der politischen Bildung durch verläßliche empirisch-soziologische Informationen über die Wirkung des sozialkundlichen Unterrichts an höheren Schulen weiterzutreiben. Aufgabe war, Daten für eine ›Erfolgskontrolle‹ zu ermitteln: Einsicht in die Bedingungen zu geben, von denen eine politische Bildung abhängt, die erreicht, was sie soll, und schließlich die Resultate gesellschaftlich zu reflektieren. Durchgeführt wurden die Forschungen im Rahmen der bildungssoziologischen Arbeit des Instituts für Sozialforschung.
Die Studie nimmt einige Motive aus früheren Studentenuntersuchungen auf und verbindet sie mit Fragestellungen der Bildungssoziologie. Während »Student und Politik« ** sich auf die Analyse des politischen Bewußtseins der Studierenden und der gesellschaftlichen Bedingungen von Beteiligung an Politik konzentrierte, sind bei Teschner die Bedingungen der politischen Bildung an den Gymnasien thematisch. Wie sie wirkt, wird an ihren Resultaten überprüft, den politischen Vorstellungen und Haltungen der Schüler und ihren institutionellen und personellen Voraussetzungen, der Unterrichtspraxis der Lehrer und deren Einstellung zum Fach Sozialkunde. Späteren Studien des Instituts über den politischen Unterricht an Volks-, Mittel- und Berufsschulen diente die Teschnersche als Vorbild; in ihr wurden die Instrumente und die analytischen Kategorien entwickelt, die modifiziert in die darauffolgenden eingingen.
Nicht beschwichtigt wird der Zweifel daran, daß politische Bildung an den Gymnasien ihre Absicht bislang nur unvollkommen erfüllt. Den Resultaten zufolge ist die Mehrheit der Schüler politisch desinteressiert, wenig informiert, und nur eine Minderheit hat dezidiert demokratische Auffassungen. Die Lehrer, politisch meist wenig engagiert und unzulänglich ausgebildet, verfügen nicht über angemessene Kategorien zur Interpretation politischer Vorgänge, um das Interesse der Schüler zu wecken. Da die Erhebungen schon einige Jahre zurückliegen, setzen derlei Befunde dem Einwand sich aus, sie würden der heutigen Situation nicht mehr gerecht. Das gilt allenfalls für die Ergebnisse der Schülerbefragung; nicht für die Analyse des Unterrichts. Wie neuere repräsentative Umfragen zeigen, besteht bei der Mehrheit der Jugendlichen, vor allem bei Oberschülern und Studenten, ein hoher Grad an Bereitschaft, sich an Demonstrationen und politischen Protesten zu beteiligen. Offensichtlich vollzogen sich während des letzten Jahres erhebliche Veränderungen in der Einstellung der Jugendlichen zur Politik. Gewiß ist freilich, daß diese Veränderungen nicht auf den politischen Unterricht in der Schule zurückzuführen sind.
Warum er bislang nur geringe Erfolge zeitigte, wird von Teschner dargelegt. Vor allem krankt die übliche Unterrichtspraxis daran, daß sie politische Phänomene aus ihrem gesellschaftlichen und historischen Zusammenhang löst, auf das Handeln von Einzelnen reduziert und ihren Bezug auf sogenannte individuelle Werte für Erklärungen hält. Kontroverse Themen werden ausgespart, Denkschemata aus dem Alltag mischen sich mit naiv-statischen Vorstellungen von der ›Natur des Menschen‹. Ein dergestalt entpolitisierter Unterricht wird leicht von Lehrern, die einer
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