Gesammelte Werke
Technik. Dieser aber ist in der Hütte, gegenüber der Zeche, so weit fortgeschritten, daß der nach dem Gesamtstandard messende Bergmann sich benachteiligt fühlt, selbst wenn objektiv jener Gesamtstandard in seinem Sektor gar nicht herzustellen sein sollte.
Auch hier läßt sich ein der Personalisierung Verwandtes beobachten: die Klagen im Bergbau gelten weniger der gefährlichen und stets noch höchst unbequemen und mühsamen Arbeit selbst als dem vielfach als schroff und antreiberisch bezeichneten Verhalten der Vorgesetzten. Sollten diese Klagen berechtigt sein, so stände immer noch dahin, ob nicht die ebenfalls ›zurückgebliebenen‹ Methoden der Vorgesetzten eben daher rühren, daß dem von ihnen erwarteten Soll erhebliche Schwierigkeiten gegenüberstehen, die sie zum Forcieren nötigen: sie mögen lediglich den Druck weitergeben, der auf ihnen selber lastet. Hinzu kommt, daß die soziale Schätzung, deren früher der Bergmann sich erfreute, offenbar abnimmt in demselben Grad, in dem seine Arbeit als gegenüber der modernen, hochmechanisierten zurückgeblieben, gleichsam als ›niedere Arbeit‹ sich darstellt. In der Tat fühlen die befragten Bergleute heute sich vielfach mißachtet. Durchweg hängt ja das Prestige einer Arbeitsform weniger von der Mühe und Anstrengung ab, die sie erheischt, als, wenn man so sagen darf, von ihrer technologischen Arriviertheit, analog vielleicht dem aus dem letzten Krieg berichteten Sachverhalt, daß das Prestige der Luftwaffe das der Infanterie weit übertraf.
Nirgends so sehr wie im Bergbau wäre eine wirklich zulängliche soziologische Analyse auf das genaueste Studium der objektiven Gegebenheiten verwiesen, vor allem auch auf die Frage, ob dort heute im Rahmen der Rentabilität eingreifende Verbesserungen der Arbeitsbedingungen durchführbar wären. Sollte das der Fall sein, so würde damit fraglos auch das ›Klima‹ sich verbessern. Es ist nichts Primäres, sondern ein Epiphänomen. Selbst Momente wie die Fluktuation der Belegschaft im Bergwerk und der erhebliche Anteil an Neulingen und ›Fremdarbeitern‹ dürften sich ihrerseits wesentlich aus den objektiven Bedingungen der wenig verlockenden Arbeit herleiten, die dann nochmals, vermittelt durch jene personellen Tatbestände, das ›Klima‹ beeinträchtigen. Eine auf subjektive Verhaltensweisen gerichtete Untersuchung konnte zwar Probleme bezeichnen, keineswegs jedoch Lösungen empfehlen: es hätte ihren Umfang, und die Kompetenz der Untersuchenden, überschritten, die Verflechtung der objektiven und subjektiven Momente zu entwirren. Nicht mehr kann hier geschehen, als an das Ermittelte grundsätzlichere Erwägungen anzuschließen, ohne diese etwa als ›Resultate‹ auszugeben.
Ein Resultat jedoch drängt sich bei der Übersicht über die ganze Studie auf, das in den Einzelanalysen nur allzu leicht verloren geht: der unerschöpfliche Fonds an gutem Willen bei den Arbeitern. Dieser gute Wille äußert sich nicht ideologisch und nicht sentimental; es wird kaum je abstrakt auf die Arbeit als Grundbedingung aller Kultur eingegangen. Aber stillschweigend wird die Bereitschaft zur Arbeit anerkannt. Auch wo man sich im einzelnen beschwert, klingt etwas wie Freude an der Leistung, am Vollbringen durch – eine ihrer selbst unbewußte Solidarität mit der Erhaltung des Lebens. Daß dieser von Veblen so genannte »instinct of workmanship« keine Naturanlage, sondern selbst ein gesellschaftlich Vermitteltes ist, steht außer Frage; ebenso aber, daß er sich tief in den Menschen niedergeschlagen und verinnerlicht hat, und auf diesem eminent Positiven beruht wesentlich überhaupt die Reproduktion der Gesellschaft. Auch den Oppositionellen fehlt durchaus der Ton des Hämischen und Menschenfeindlichen – ein Aspekt der ›Systemimmanenz‹, der als Bürgschaft zukünftiger Möglichkeiten nicht hoch genug angeschlagen werden kann. Diese gesamtgesellschaftliche Solidarität nimmt, wenn sie mit einem den nahen Dingen verhafteten Bewußtsein sich verbindet, Formen an wie die der Identifikation mit der Firma, des Gefühls der Verpflichtung, im einmal akzeptierten Tauschverhältnis das Beste herzugeben, die gewisser patriarchalischer Vorstellungen von Treu und Glauben. Billig wäre es, über die Naivetät solcher Begriffe zu lächeln. Das Element einer alle Beschränkungen der Selbsterhaltung und des je eigenen Interesses unter sich zurücklassenden Freundlichkeit ist um so substantieller, je mehr es in solchen Beschränkungen
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