Gesammelte Werke
Produktivkräfte auseinandergetreten sind: die jungen Menschen erfahren sich selbst vorweg in fast hoffnungslosem Widerspruch zu den Verhältnissen und glauben, nur dann unterschlupfen zu können, wenn sie sich auf das ihnen Fremde hin selbst zurechtstutzen.
Es ist freilich keineswegs so sicher, wie es zunächst scheinen mag, ob ein ›Motiv‹ zum Studium im Sinn eines bewußten individuellen Entschlusses überhaupt bei der Mehrzahl der Studierenden existiert. Denkbar wäre, daß man nur deswegen studiert, weil niemals Zweifel daran aufgekommen sind, daß es selbstverständlich, etwa dort, wo sich in einem spezifischen Milieu die Studientradition erhalten hat. Eines ausdrücklichen Entschlusses zum Studium scheint es nach unseren Ergebnissen vor allem nur dort zu bedürfen, wo es keine akademische Tradition gibt.
Vielfach besteht auch der Wunsch, die Entscheidung für eine bestimmte Berufstätigkeit zu vertagen, indem man ›zunächst einmal studiert‹; man scheut sich davor, frühzeitig im Beruf festgelegt zu werden. Die Schulsituation, in der im Grunde die Abhängigkeit des Kindes von den Eltern steckt, sucht man an der Universität zu perpetuieren. Bezeichnenderweise finden sich hiervon am ehesten Spuren in Kommentaren von Studenten, die aus einem Bedürfnis nach allgemeiner wissenschaftlicher Orientierung studieren.
Unter diesen Vorbehalten lassen sich die Befragten nach den von ihnen angegebenen Studienmotiven immerhin in folgende Gruppen einteilen:
Studierende
der
Universität
Frankfurt
betrachten das Studium
vornehmlich: (733)
als »Mittel zum Zweck«
davon:
mit dem primären Interesse an
einem bestimmten Berufsziel 20 %
mit dem primären Interesse an einer
gehobenen gesellschaftlichen Position 16 %
ohne ersichtlichen
Interessenschwerpunkt 6 %
als eine Beschäftigung oder Ausbildung
im wissenschaftlichen Bereich
davon:
mit dem primären Interesse an
einem bestimmten Fachgebiet 14 %
mit einem allgemeinen
wissenschaftlichen Interesse 8 %
ohne ersichtlichen Interessenschwerpunkt 4 %
sowohl als »Mittel zum
Zweck« als auch als
Ausbildung im wissenschaftlichen Bereich 21 %
keine eindeutige Motivation feststellbar 11 %
100 %
Bei dem Fünftel der Studierenden, denen das Studium in erster Linie zur Ausbildung für den gewählten Beruf dient, steht der Berufsplan oft schon fest, bevor sie sich zum Studium entschließen. Vielfach dient es nur zur Verbesserung der Aufstiegschancen:
»Studium, um mich steuerlich fit zu machen ... Für das Verhandlungswesen und Steuern ist es zweckmäßig, die Kenntnisse durch Studium zu untermauern. Es ist nötig für das Geschäft.«
Die sechzehn Prozent der Studenten, vor allem Wirtschaftswissenschaftler und Juristen, denen die akademische Ausbildung als Mittel dient, eine gehobene gesellschaftliche Position zu erreichen, »Karriere zu machen«, haben sich demgegenüber häufig deswegen noch nicht für ein bestimmtes Berufsziel entschieden, um später die günstigste Chance wahrnehmen zu können. Sie fügen sich vielfach nur dem herrschenden Vorurteil, ohne selber Ambitionen zu haben:
»In Deutschland muß man schon als Straßenkehrer Abitur haben. Ich glaubte, daß ich bessere Aufstiegsmöglichkeiten hätte ... Da nicht nur fachliches Können, sondern auch Doktortitel ausschlaggebend ist für Erfolg.«
Studenten, die primär sich zum Studium aus bestimmtem fachlichen Interesse entschließen (14 %), studieren häufig naturwissenschaftliche Fächer, vor allem Chemie und Physik, aber auch Mathematik und Biologie; daneben Fächer der Philosophischen Fakultät wie Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Deutsch. Es handelt sich also im wesentlichen um Disziplinen, die in der Schule gelehrt werden und zu denen der Unterricht bestimmende Anregung geben konnte.
Im Unterschied zu dem aus spezifischem Fachinteresse Studierenden wissen die acht Prozent der Studenten, die aus einem allgemeinen wissenschaftlichen Interesse, aus dem Wunsch nach umfassender Orientierung und Bildung studieren, nicht, wie der Philister es nennen würde, ›was sie wollen‹. Dagegen könnte man unter dem Aspekt eigentlicher wissenschaftlicher Orientierung sagen, sie seien die einzigen, die wirklich etwas von der Universität wollen, insofern sie in dem Ressortbetrieb des Unterrichts – vorerst – noch nicht aufgehen. Sie sind meist nicht durch eine spezifische Begabung begünstigt; der Begriff der Aufgeschlossenheit dem Studium gegenüber ist auf sie aber noch am ehesten
Weitere Kostenlose Bücher