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Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Theodor Adorno
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braucht, gehört; nur in Mainz, wo er früher studierte, mußte er das obligatorische studium generale absolvieren und hat dabei die »Sachen, die am nächsten lagen« gewählt. Bei Überschneidung von Vorlesungen würde sein Fach, die Betriebswirtschaftslehre, immer den Ausschlag geben. Die Gefahr der Verzettelung sieht er nicht; man könne sich ja strikt an die Studienordnung halten. Ein Stipendium nähme er nur für ein halbes Jahr an und nur dann, wenn es »großzügig und im Ausland« wäre, weil es ihn »Zeit, Zeit meines Lebens« kosten würde, die er anscheinend lieber dem beruflichen Aufstieg widmen möchte. Für ihn »persönlich« ist das Studium nicht mehr als eine besondere Art der Berufsausbildung. Beziehungen zwischen Fakultäten existieren seiner Ansicht nach nur noch bei der wirtschaftswissenschaftlichen und juristischen Fakultät, »durch Scheine. Philosophen und Naturwissenschaftler könnten in Buxtehude sein«. Deshalb hielte er es für richtig, wenn man die Universitäten auflöste.
    Bei einer unbefriedigenden Auskunft des Seminarlehrers auf eine ihm wichtig erscheinende Frage würde er nicht auf Antwort bestehen, denn »sonst verärgere ich den Mann. Kommt darauf an, ob ich auf ihn angewiesen bin. Bin Utilitarist, das haben Sie ja hoffentlich gemerkt«. In solchen Wendungen steckt wohl Aggression gegenüber dem, von dem er annimmt, daß er über »Utilitarismus« die Nase rümpft.
    Wenn er genügend freie Zeit hätte, seinen verschiedenen Interessen nachzugehen, würde er sich mit folgendem beschäftigen: »Essen, Trinken, Schlafen, Vergnügen, Achtzehn-Zimmer-Villa am Comer See«. – Bezeichnend ist es auch, daß er an das Weiterbestehen der auf der Universität geschlossenen Freundschaften nur unter der Voraussetzung glaubt, »daß nicht zu krasse gesellschaftliche Unterschiede entstehen im Laufe der Zeit«.
    c) Der dritte Typ wird durch einen Studenten der Biologie, Chemie und Physik repräsentiert, der im ersten Semester steht, aber bereits weiß, daß er »Wasserchemiker« werden will. Seine Berufspläne hat er »schon früh in der Schulzeit« gefaßt. Er hat den naturwissenschaftlichen Zweig einer Oberschule besucht. Sein Vater ist Diplomingenieur. Er hat sich, bevor er sich zu seinem Studium entschloß – das gegenüber seinen Fachinteressen als solches sekundär ist – noch stärker spezialisieren wollen, und zwar auf dem Gebiet der Fischereichemie und -biologie, und hat zu diesem Zweck auch vor dem Studium zwei Jahre lang eine Tätigkeit als Fischereigehilfe ausgeübt.
    Er glaubt, alles, was er an der Universität hört, für seinen Beruf brauchen zu können und keinen Ballast aufzunehmen; »denn man muß sein ganzes Leben davon zehren«. Er hält freilich ausgeprägteres Fachwissen für notwendig, vermißt an der Frankfurter Universität das Spezialgebiet Wasserwirtschaft und will deshalb in späteren Semestern die Universität wechseln. Vorlesungen außerhalb seines Examensgebietes hat er nur gehört, soweit sie mit seinem Spezialgebiet zusammenhängen, so etwa »Ökologie der Pflanzen und Insekten«, und zwar »aus Interesse: Vorgänge gehören zusammen«. Ein Stipendium würde er dazu benutzen, sein Spezialfach weiter auszubauen.
    Nur »von der Uni aus gesehen« ist das Studium seiner Ansicht nach mehr als Berufsausbildung: »Der einzelne muß das mittun.« Er meint offenbar, daß im Universitätsunterricht noch ein Bildungsanspruch aufrechterhalten werde, den man eben in Kauf nehmen müsse, wenn man zu seinem Fachwissen kommen wolle. Eine Auflösung der Universität würde er jedenfalls ablehnen.
    Überblickt man die Ergebnisse der referierten Studie, so läßt sich im ganzen sagen: Die Erwartungen vom Studium selber unterliegen zum Teil dem Schein, daß sich, was objektiv durch die Ordnung der gesellschaftlichen Arbeit bestimmt ist, als persönlicher Entschluß oder als Sache der Begabung darstellt. Es scheint sich ein Trend zum Studium als einem Mittel abzuzeichnen, sich für Jobs allseitig verwendbar zu machen, der neben die Vorbereitung für eine bestimmte Berufsposition tritt. Dabei sind im Studienaufbau, zumindest an der Oberfläche, Vorstellungen von dem ›allgemeinbildenden‹ Wert des Studiums durchaus noch wirksam. Es besteht aber zugleich eine gegenläufige Tendenz: man wünscht Spezialisierung, jedoch weniger im genuin wissenschaftlichen Sinn als in Gestalt einer eng umgrenzten, aber perfekten Berufsqualifikation.
    Zu beantworten bleibt die Frage, was angesichts

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