Gesammelte Werke
anwendbar. Da sie in der Wahl ihres Faches sich nicht von Gesichtspunkten des beruflichen Fortkommens leiten lassen, geraten sie oftmals in Konflikt mit den Eltern.
Im ganzen läßt sich sagen, daß viele Antworten auf die Frage, warum man sich zum Studium entschlossen habe, erstaunlich nüchtern und sachlich formuliert sind; es ist keine Hemmung vorhanden, den Entschluß zum Studium auf utilitaristische Erwägungen zurückzuführen. Darin scheint sich vielfach Kapitulation auszudrücken: die Realität des Berufslebens ist weithin eintönig und trist; ursprüngliche Neigungen sind doch nicht zu verwirklichen; so kann auch von vornherein das Studium gewählt werden, das sich am besten bezahlt macht.
Versuch einer Typologie der Einstellung zum akademischen Unterricht
Es scheinen sich nun, ähnlich wie bei den Motiven zum Studium, auch in der Einstellung zum akademischen Unterricht typische Reaktionsweisen herauszuschälen. Jede von ihnen sei zunächst an einem Einzelfall beschrieben. Die drei Reaktionsweisen entsprechen dem auf universale Orientierung und geistige Reflexion gerichteten Studenten, dem konkretistisch 2 auf den Erwerb der Praktiken zum erfolgreichen Berufswettkampf Bedachten und dem von dem Interesse an seinem Fach erfüllten Spezialisten.
a) Den ersten Typ repräsentiert ein Student, der Soziologie und politische Wissenschaften als Fach gewählt hat. Den Anstoß zu seinem Studium sieht er darin, daß seine Großväter Universitätsprofessoren waren und seine Schwester studierte. Im Grunde war es für ihn eine Selbstverständlichkeit; einen bestimmten Berufsplan hatte er nicht. Nach dem Staatsexamen für das höhere Lehramt mit dem Hauptfach deutsche Philologie gab er sein altes Fach auf, weil er es nicht »zum Metier machen wollte«. Er scheidet offenbar scharf zwischen dem Berufsstudium und dem Gegenstand seines spontanen Interesses.
Den Unterschied zwischen Oberprima und Universität sieht er in erster Linie darin, daß das Studium »mehr von der eigenen Initiative abhängt«. Rat über den Aufbau seines Studiums hat er sich bei einem Dozenten geholt, aber nur zum Teil befolgt, denn »ich studiere und nicht der Professor«. Ein Beweis seiner Selbständigkeit ist es wohl auch, daß er durchaus die Gefahr sieht, sich in den ersten Semestern an der Universität zu verzetteln, aber meint, gerade das sei gut. Er hat selbst früher auch Vorlesungen außerhalb seiner Examensfächer in Theologie, Philosophie, Geschichte und Latein gehört. Bei Überschneidung von Vorlesungen würde er sich nicht von Fach- und Examensrücksichten leiten lassen, sondern seine Wahl nach dem ihm mehr zusagenden Dozenten treffen. Deswegen ist er aber an seinem Fach nicht desinteressiert: er hält reiches Fachwissen für notwendig und bezeichnet nichts, was er an Lehrstoff geboten bekommt, als Ballast, obwohl er sieht, daß nicht alles unmittelbar brauchbar ist. Von der Möglichkeit eines Stipendiums würde er Gebrauch machen, um sich noch intensiver mit politischer Wissenschaft zu beschäftigen.
Er sieht im Studium mehr als Berufsausbildung, meint aber nicht, daß man sich, wenn man studiert hat, im Leben leichter zurechtfände, denn »eine Lebensschule ist die Universität nicht«. Er wendet sich jedoch gegen die Auflösung der Universität in Fachschulen.
Das Verhältnis der Kommilitonen untereinander wünscht er sich bezeichnenderweise »ungezwungener und überlegener«.
b) Den zweiten Typ repräsentiert ein Betriebswirt im siebenten Semester. Seine Berufspläne kennzeichnet er folgendermaßen: »Industrie oder Bank – nicht festgelegt, wir sind ja ganz nüchterne Leute, die nicht, wie Philosophen, aufs Ideelle achten. Ich will Geld verdienen.« Sein Berufsplan stand für ihn schon etwa zwei Jahre vor dem Abitur fest. Sein Vater, ein Lehrer, überließ ihm die Wahl des Studienfaches, sagte aber: »Werd' nur nicht Lehrer, die werden schlecht bezahlt.« Nach dem Abitur, bevor er sich zu seinem Studium entschloß, wollte er einen Beruf ergreifen, der ihn »nach kurzer Lehrzeit rasch zu Gewinn bringen sollte«. Aus diesem Plan ist nichts geworden, »es fehlte an Anknüpfungspunkten« (Beziehungen).
Er ist ganz an dem orientiert, was er Praxis nennt: »Was man im Laufe des Studiums lernt, ist teilweise brauchbar, aber teilweise für die Praxis Ballast, und zwar im Verhältnis 50 zu 50«; damit meint er »Überspitzungen in der Theorie«. Er hat nie Vorlesungen und Übungen außerhalb der Fächer, die er für das Examen
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