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Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Theodor Adorno
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und faßt die Bedingung der Möglichkeit aller Erfahrung, die allein die Einheit des Bewußtseins ist, als Tätigkeit im Sinne des Freiheitsbegriffs der praktischen Philosophie 1 . Es ergibt sich damit als Konsequenz aus der metaphysischen Beschaffenheit der Kantischen Ethik und der späteren Abhängigkeit der Kantischen Erkenntnislehre von jener Ethik die naturalistische Hypostasis des Begriffs der Spontaneität, während für eine transzendentale Theorie, die sich im Rahmen der Gegebenheit hält, der Begriff der Tätigkeit nichts anderes als eine Abbreviatur für eine Klasse von Erfahrungstatsachen ist, nämlich für diejenigen, die eine Willenshandlung zur Voraussetzung haben. Damit jedoch möchte Kants Begriff der Spontaneität nichts zu tun haben. Er charakterisiert sich als naturalistische Hypostasis eines
Grenzbegriffs
damit, daß die Deutung des Zusammenhanges unserer Erfahrung als einer Tätigkeit des Subjekts die vollständige Gegebenheit dieses Zusammenhanges und die vollständige Bekanntheit der Dinge, die Gegenstände unserer Erfahrung sind, voraussetzt. Diese unzulässige Voraussetzung wird evident durch folgende Überlegung. Um von einer Tätigkeit des Subjektes reden zu können, muß ich in der Lage sein, das Material jener Tätigkeit, soweit es ungeformt ist, von ihrem Resultat zu unterscheiden. Sonst ist die Behauptung einer Tätigkeit eine willkürliche und unkontrollierbare Annahme. Das Material der Tätigkeit aber, auf das sich die Kantische Spontaneität erstrecken soll, konnte nichts anderes sein als das unmittelbar Gegebene, da ja die Gegenstände unserer Erfahrung das Produkt der Spontaneität sein und die transzendenten Dinge an sich, an denen Kant festhält, eben gerade vom Denken des Subjekts unabhängig sein sollen. Wir müßten somit fähig sein, um von einer Spontaneität des Bewußtseins reden zu können, das unmittelbar Gegebene vom Bewußtseinszusammenhang zu unterscheiden. Nun charakterisiert sich das unmittelbar Gegebene aber gerade dadurch, daß es als Inbegriff unserer Erlebnisse stets dem Bewußtseinszusammenhang angehört und daß die Gesetzmäßigkeiten des Bewußtseinszusammenhangs allesamt im unmittelbar Gegebenen fundiert sind. Die Bewußtseinseinheit besteht gerade darin, daß nichts unmittelbar Gegebenes isoliert ist, sondern alles zu anderen Erlebnissen in Beziehung steht. Ja, der Begriff der Impression, von dem jede Erkenntnistheorie und auch die Kantische ausgeht, ist bereits eine Abstraktion; reine Impressionen kommen nicht vor, auch die Eindruckserlebnisse stehen in Beziehungen zu anderen, vergangenen und zukünftigen Erlebnissen. Ein von seiner »Formung«, der vermeintlich spontanen Tätigkeit, unabhängiges Material ist uns also überhaupt nicht gegeben. Wir können nicht das »Material« vom »Geformten« unterscheiden und haben somit kein Recht, überhaupt von »Formung« zu reden. Um den Begriff des bloßen »Materials« bilden zu können, wozu ja die Kantische Lehre von der Spontaneität nötigt, muß der Zusammenhang des Gegebenen überschritten werden. Das kann auf zwei Weisen geschehen. Einmal können der Begriff des transzendenten Dinges an sich eingeführt und die Impressionen als seine Wirkungen gedeutet werden, die, um wieder in einen Zusammenhang gebracht zu werden, der dem dogmatisch vorausgesetzten des Dinges als immanentes Korrelat entsprechen soll, »bearbeitet« werden müssen, welche Bearbeitung als eine Tätigkeit gefaßt wird. Die erste naturalistische Annahme einer wirkenden Kausalität der transzendenten Dinge an sich auf das Bewußtsein führt im Verein mit der Tatsache, daß Dinge an sich niemals unmittelbare Gegebenheiten sind, zu der zweiten naturalistischen Annahme einer – jener transzendenten Kausalität äquivalenten – »Tätigkeit« des Bewußtseins, die das vermeintlich unqualifiziert Mannigfaltige der »Impressionen« zu Dingen wieder vereinigt. Andererseits kann eine Erkenntnistheorie, die den Begriff eines durch die Spontaneität des Bewußtseins zu formenden Materials einführen will, dabei zwar die Annahme dinglicher Transzendenz vermeiden, aber dafür die Annahme einer vollständigen Gegebenheit der Erfahrung machen, eine Annahme, die nicht minder transzendent ist. Wenn unsere Erfahrung prinzipiell abschließbar wäre, die immanent konstituierten Dinge also uns vollständig bekannt wären, dann ließe sich der Weg, der von unseren Erlebnissen zur Bildung unserer Dingbegriffe führt, umkehren, und die Phänomene ließen sich

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