Gesammelte Werke
nämlich auf Grund der transzendentalen Tatsache, daß der Unterschied von Bewußtsein und Gegenstand des Bewußtseins nicht, wie es im natürlichen Weltbild gesehen wird, ein primärer und bestimmender Unterschied, sondern einzig durch den Mechanismus der Weisen unserer Begriffsbildung bestimmt ist und daß alle dinglichen Tatsachen, also auch, wie sich uns ergeben wird, die seelendinglichen, auf unsere Erlebnisse, das unmittelbar Gegebene sich müssen zurückführen lassen. Da also zwischen den psychischen Dingen – den »Dingen an sich« für die Lehren vom Unbewußten – und unserer Erfahrung – deren absolute Totalität die Lehren vom Unbewußten als Spontaneität und Leben in Anspruch nehmen – kein Abgrund liegt, so ist es nicht zu verwundern, daß die Überschreitung der Erfahrungsgrenze für beide Klassen von Tatsachen zu den gleichen antinomischen Verhältnissen führt. Abermals also leitet uns die Betrachtung der Unstimmigkeit der Lehren vom Unbewußten, indem wir sie allgemein zu begreifen suchen, auf die transzendentale Analyse. Die Auflösung der bezeichneten Antinomie gebührt denn auch ihr.
Die Widersprüche endlich, die dem Intuitionsbegriff als Mittel zur Erkenntnis unbewußter Tatbestände anhaften, wurden bereits eingehend dargestellt, da diese Widersprüche das Fundament für jede Unstimmigkeit der Lehren vom Unbewußten abgeben. Wir begnügen uns hier damit, unsere Aussagen über die Intuition begründend zu ergänzen. Die Lehren vom Unbewußten treten, wie auseinandergesetzt, das Erbe der vorkantischen Metaphysiken insofern an, als sie die Kantischen Grenzbestimmungen überspringen und in dogmatische Aussagen über Ding an sich, Ich und Kausalität übergehen; wobei ihnen die Kritik des einseitigen Rationalismus Kants, seiner Unterbewertung der Erfahrung, nur ein Mittel zur Restitution der von der Vernunftkritik getroffenen alten metaphysischen Aussagen ist. Die psychische Transzendenz, die sie als »Ding an sich« der Seele ansetzen, ist nun notwendig in der gleichen Weise problematisch wie der vorkritische Dingbegriff insgesamt. Die Dinge, auch die psychischen, sind noch notwendig mit Merkmalatomistik behaftet. Wohl ist für die Lehren vom Unbewußten, wie wir sahen, das Unbewußte in Bewußtseinsimmanenz verlegt und damit auch sein Rechtsausweis, wofern ein solcher unternommen wird, wozu sich ja eben die philosophischen Lehren vom Unbewußten als unfähig ergaben. Aber das Bewußtsein hat es doch mit den Dingen zu tun – zunächst den Raumdingen; was unter psychischen Dingen, als welche ja die Lehren vom Unbewußten das Unbewußte nehmen und als welche auch unsere transzendentale Untersuchung sie nehmen muß, was unter diesen psychischen Dingen wissenschaftlich zu verstehen ist, wird im Gange unserer Untersuchung eingehend darzustellen sein. Auf der Stufe der Lehren vom Unbewußten nur hat das Bewußtsein mit den Dingen es so zu tun, wie sie sich für den transzendentalen Realismus darbieten. Für den transzendentalen Realismus aber ist das Ding nichts anderes als die Summe seiner einzelnen Merkmale. Diese Einzelmerkmale werden zwar möglicherweise mit den Phänomenen des Dinges identifiziert, also als subjektive Bestimmungen aufgefaßt, nicht aber wird der Gesetzmäßigkeit ihrer subjektiven Konstitution und damit den Formen ihres Zusammenhanges nachgefragt. Solange die Begründung der Dinglichkeit aber nicht durch eine Analyse der
Zusammenhangsformen
ermöglicht wird, bleiben der Erkenntnistheorie, die der Dinge habhaft werden will, prinzipiell nur zwei Wege, die beide notwendig zu Widersprüchen führen. Entweder nämlich werden die immanenten Dinge, um nur als Ganzheiten verständlich zu werden und nicht in ihre einzelnen Phänomene zu zerfallen, doch als Transzendenzen behandelt; das geschieht überall dort, wo die ontologische Auffassung noch die Herrschaft behauptet. Oder aber es werden die Erkenntnisweisen, durch die die Dinge gegeben sind, zu Transzendenzen gemacht. Wir hatten verfolgt, wie damit der Begriff der absolut vollständigen Erfahrung hypostasiert und der Metaphysik des »Lebens« und der Spontaneität die Tür geöffnet wird. Die gleiche Hypostasierung kann aber nun auch in der Art vorgenommen werden, daß man, weil kein Erlebnis mit einem Ding identisch ist, weil wir von Dingen nur Phänomene kennen und gleichwohl des wahrnehmungsunabhängigen Bestandes der Dinge sicher sind, den wir doch nicht verstehen können, solange wir die Erlebnisse isoliert nehmen und ihren
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