Gesammelte Werke
Bestandteile des transzendentalen Idealismus eliminiert und womöglich durch das fließende Leben selber ersetzt werden müßten, obwohl dies fließende Leben – wenn man mit dem suspekten Begriff durchaus operieren will – nichts anderes ist als die zeitliche Folge der Erlebnisse eines persönlichen Bewußtseins, also eine sehr wohl der transzendentalen Analyse zugängliche Tatsache. Nach alldem ist die von den Lehren vom Unbewußten angegriffene transzendentale Methode völlig legitimiert zur Behandlung der Probleme des Unbewußten. Wir fassen, wie eingangs ausgesprochen, die transzendentale Methode durchaus im Sinne der Erkenntnistheorie von Hans Cornelius. Wir verdanken jener Methode nicht allein die allgemeinen Grundzüge der transzendentalen Analyse als einer Analyse des Zusammenhanges unserer Erlebnisse zur Einheit des persönlichen Bewußtseins, deren letztes Material das unmittelbar Gegebene, also die Erlebnisse unseres Bewußtseins darstellen; sondern wir verdanken ihr auch die wichtigsten
inhaltlichen
Bestimmungen der Analyse des Bewußtseinszusammenhanges, vor allem die Präzision der konstitutiven Gesetzmäßigkeiten jenes Zusammenhanges, der Gesetzmäßigkeiten, die uns eine wissenschaftlich befriedigende Fassung des Begriffs des Unbewußten gewähren. Wir könnten, um jene Fassung zu gewinnen, von der empirischen Tatsache unbewußter Gegenstände ausgehen und deren Vorkommen in die transzendentale Gesetzmäßigkeit einordnen. Allein wir wählen einen anderen Weg. Die methodisch-erkenntnistheoretische Absicht unserer Arbeit, die sich ja nicht damit begnügen will, das Vorkommen unbewußter Tatbestände zu erweisen, wozu andere Untersuchungen längst als zureichend angesehen werden können, sondern die Möglichkeit von Erkenntnis des Unbewußten wissenschaftlich darzutun, läßt uns von der transzendentalen Theorie selber ausgehen. Wir betrachten zunächst den Teil der Kantischen Lehre, in dem eine Theorie des Unbewußten rechtmäßig ihren Platz hätte, versuchen ihn kritisch zu ergänzen und einzusehen, warum er für eine Theorie des Unbewußten keinen Raum bietet, und gelangen dann, indem wir die Lücken jenes Abschnittes der Vernunftkritik ausfüllen, zu einer transzendentalen Theorie des Unbewußten. Die Anwendung dieser transzendentalen Theorie auf die empirische Erkenntnis des Unbewußten oder vielmehr der Nachweis, daß die empirische Erkenntnis des Unbewußten streng von jenen transzendentalen Bestimmungen vorgezeichnet ist, wird uns als letztes Hauptproblem unserer Untersuchung zu beschäftigen haben. Für alle kommenden Betrachtungen ist die Methode der »Transcendentalen Systematik« von Cornelius vorausgesetzt. Gleichwohl wird es sich, um die Kontinuität der Gedankengänge zu wahren, bisweilen nicht vermeiden lassen, einzelne der dort gebotenen Überlegungen kurz zu reproduzieren.
Bevor wir uns unserer nächsten Aufgabe, der transzendentalen Beleuchtung der Widersprüche in den Lehren vom Unbewußten, zuwenden, vereinigen wir unsere bisherigen Resultate nochmals unter einem allgemeineren philosophischen Gesichtspunkt. Wir hatten es bei der Formulierung der Probleme als unsere Aufgabe bezeichnet, den Widerstreit zwischen Transzendentalphilosophie und Philosophie des Unbewußten derart zu schlichten, daß wir den auf Grund der vorliegenden Theorien des Unbewußten als notwendig angenommenen Widerspruch zwischen dem Begriff des Unbewußten und dem Begriff des transzendentalen Idealismus als Schein enthüllten. Es läßt sich nun ohne weiteres einsehen, daß ein wesentlicher Teil jener Aufgabe bereits gelöst ist. Die immanente Behandlung der Lehren vom Unbewußten lenkte uns überall auf die transzendentale Methode hin. Sie teilt nicht allein mit dieser manche Voraussetzungen, sondern erhellt sich in ihren Dunkelheiten stets durch Denkoperationen, die der Methode des transzendentalen Idealismus zugehören. Ihre Polemik gegen die transzendentale Methode hat sich als unzulänglich und unberechtigt erwiesen. Andererseits hat die Behandlung der Lehren vom Unbewußten unsere Aufmerksamkeit darauf gerichtet, daß Tatsachen wie die der
Gestaltqualität
der Lehre Kants fremd sind, und weiter darauf, daß die Hypostasierungen, deren sich die Lehren vom Unbewußten bedienen, großenteils im Kantischen System selbst angelegt sind und daß ihre Korrektur in den Philosophien des Unbewußten auch notwendig eine Revision der Kantischen Lehre selbst bedeutet. Auf der einen Seite sind wir genötigt, die
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