Gesammelte Werke
Bewußtseins selbst zu begründen 8 . Die Kritik der Antinomie zwischen der immanenten und transzendenten Auffassung des Unbewußten führt so zu einer ersten Formulierung des Problems einer positiven transzendentalen Theorie des Unbewußten, das wir uns gestellt haben. Damit ist indessen jenes antinomische Verhältnis, auf das wir stießen, noch nicht vollständig charakterisiert. Es bedarf angesichts der Tatsache des unbegrenzten Fortganges meiner Erfahrung auch im psychischen Bereich nicht der Annahme einer Bewußtseinstranszendenz, um die Erkenntnis in Widersprüche zu verwickeln. Der Widerspruch zwischen immanenter und transzendenter Auffassung ergibt sich, wenn ich die Unbegrenztheit des Fortganges meiner Erfahrung als Folge einer prinzipiell unzugänglichen Ursache außerhalb des Bewußtseins deute. Der Schluß auf jene Ursache und die Widersprüche, die er involviert, sind aber erst die Folge eines einfacheren Tatbestandes: daß ich nämlich die Grenzenlosigkeit im Fortgang meiner Erfahrung mißverstehe in einer Weise, die die einzelnen Tatsachen, für deren Erkenntnis dem Fortgang meiner Erfahrung keine positive Grenze gesetzt ist, als positive Gegebenheit eines Unendlichen interpretiere, weil ja die Tatsachen, deren Erkenntnis in Rede steht, bewußtseinsimmanente Tatsachen sind. Der transzendente Ansatz des Unbewußten ist nichts als ein Versuch, den Widerspruch, der mit der Annahme der positiven Gegebenheit eines Unendlichen entsteht, zu beschwichtigen; er führt allerdings, wie wir sahen, ebenfalls zu antinomischen Verhältnissen. Wir wollen, allein schon um das Problem der Erkenntnis von Unbewußtem von dem häufig mit jenem konfundierten
Irrationalitätsproblem
scharf zu sondern, das Problem: Immanenz oder Transzendenz des Unbewußten von dem Problem des unbegrenzten Fortganges unserer Erfahrung der psychischen Tatbestände nochmals prägnant abgrenzen. Unbewußtes psychisches Sein kann nur solches sein, das zwar dem Bewußtseinszusammenhange angehört, aber in einer bestimmbaren Weise auch unabhängig von meiner Wahrnehmung existiert. Betrachte ich diesen wahrnehmungsunabhängigen Bestand als bedingt durch eine transzendente Ursache, so ergeben sich die bezeichneten Widersprüche. Sie entstehen mit Notwendigkeit jedoch nur dann, wenn ich die wahrnehmungsunabhängige Existenz der unbewußten Tatbestände, also ihr
gegenwärtiges
Unbekanntsein, identifiziere mit ihrer Unbekanntheit schlechthin auf Grund der Grenzenlosigkeit im Fortgang meiner Erfahrung und sie damit zu schlechthin unbekannten mache. Indem ich aber mein Wissen vom Dasein irgendwelcher psychischer Tatsachen – nämlich der schlechthin unbewußten – mit der Unbegrenztheit meines Fortganges in der Erfahrung begründe, setze ich anstelle des unbegrenzten Fortganges meiner Erfahrung die Unendlichkeit der Erfahrung selbst als positiv voraus. Damit erst wird der Widerspruch meiner Aussagen notwendig, während der transzendente Ansatz des Unbewußten sich durch die durchgeführten Überlegungen ohne weiteres reduzieren läßt. Die Auffassungsweise, die die unbewußten Tatbestände nicht allein zu wahrnehmungsunabhängigen, sondern zu »irrationalen«, prinzipiell nicht vollständig zu gebenden macht, setzt also nicht nur, indem sie solche irrationalen Gegenstände annimmt, eine Unendlichkeit als positiv gegeben voraus, sondern verwechselt überdies noch den Grenzbegriff der Unmöglichkeit des Abschlusses unserer Erfahrung von den psychischen Dingen mit einzelnen unbekannten Gegenständen. Die Rede von der Transzendenz des Unbewußten hat danach einen doppelten Sinn. Einmal ist sie eine Hypostasierung der unbekannten »wirkenden Ursache«, die vorgenommen wird, weil die unbewußten Tatbestände selbst nicht Erlebnisse sind. Dann aber ist sie abgeleitet aus der Unabschließbarkeit unserer Erfahrung, die in unerlaubter Weise zur Begründung einzelner Fakten herangezogen wird, die durchaus
innerhalb
des Erfahrungszusammenhanges liegen. Daß in einer positiven Theorie des Unbewußten das Irrationalitätsproblem von dem der Erkenntnis einzelner unbewußter Tatbestände genau unterschieden werden muß, ist hier bereits ersichtlich. Unsere letzten Überlegungen wollten allein die Widersprüche der Annahme einer psychischen Transzendenz ihrer Konstitution nach einsichtig machen, sie stießen dabei auf die beiden Problemkomplexe und ihren Zusammenhang, arbeiteten diese so deutlich heraus, wie es notwendig war, um zu zeigen, wo ein Antinomieproblem im
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