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Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Theodor Adorno
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Zusammenhang untereinander vernachlässigen – daß man also Erlebnisweisen erfindet, die uns der Dinge unmittelbar versichern sollen. Von den Problemen der Immanenzphilosophie aus gesehen ist das der Ursprung des Intuitionsbegriffs, und die Anwendung des Intuitionsbegriffs auf die unbewußten Tatbestände ist erst die Folge der Unmöglichkeit, der Probleme des bleibenden psychischen Seins und der Grenzenlosigkeit im Fortgang unserer Erfahrung Herr zu werden, ohne die kritische Philosophie zu akzeptieren. Das Material zu jenem dogmatischen Hilfsbegriff der Intuition, mit dem man den Dingbegriff subjektiv begründen will, ohne die Bewußtseinsanalyse durchzuführen, bietet der ratlosen Psychologie die säkularisierte Theologie dar. Von ihr übernimmt man den Begriff des
Glaubens,
den man psychologisch wendet. Indem man den Glauben, zumal in der Fassung des Glaubensbegriffs als mystischen Glaubensaktes, in die Erkenntnislehre einführt, verfügt man über eine Kategorie, die, ohne jedenfalls dinghafte Transzendenz vorauszusetzen, auch nicht die real vorfindlichen Erlebnisse zum Maß der Dinglichkeit macht, sondern ihre Konstitution einem Dritten zuschiebt, zu dem sich das Ich durch einen eigenen Akt, nämlich den Glaubensakt, in Beziehung setze, welcher Beziehung – die wohl psychologisch deskribiert, aber nicht ihrem Erkenntnisgehalt nach kritisiert wird – das Ich die unmittelbare Kenntnis der Dinglichkeit verdanken soll. Der Begriff der Intuition ist nichts anderes als jener Akt des Glaubens, wie er sich darstellt, wenn seine Beziehung auf ein Drittes aufgegeben wird, zugleich aber ihm die Würde der Gewißheit gewahrt bleibt, die ihm im theologischen Bereich zugesprochen war. Die unmittelbare Beziehung, die beim theologischen Glaubensbegriff Gott gegenüber vorausgesetzt worden war, wird im Intuitionsbegriff in eine unmittelbare Beziehung zum Gegenstand verwandelt, die uns seiner unabhängig vom diskursiven Denken versichern soll. So kommt der Intuitionsbegriff zu dem Akzent eben jener Bewußtseinsunabhängigkeit, die ihn dem Begriff des Unbewußten zuordnet. Soweit an seinem Aufbau die von der alten Psychologie unbeachtete Tatsache der Gestaltrelation mitbeteiligt ist, hat er ein gewisses Recht und ist psychologischer Erfassung durchaus zugänglich. Sonst aber ist er ein dogmatischer Bestandteil der Erkenntnislehre, dessen jene um so weniger bedarf, als ja das Dingproblem, das man mit Hilfe des Intuitionsbegriffs zu lösen unternahm, längst auch für das Bereich »psychischer« Dinge zur befriedigenden Lösung kam. In dem
pantheistischen
Zug, der den intuitionistischen Lehren vom Unbewußten durchwegs eignet, kommt ihr theologischer Ursprung stets noch zutage.
    Mit der allgemeinen Begründung der Unstimmigkeiten der Lehren vom Unbewußten ist geleistet, was uns die nächste Aufgabe unserer Behandlung jener Probleme schien: nämlich ihr Rückverweis an die transzendentale Methode. Denn sie hat ergeben, daß die Bildung des Begriffs des Unbewußten allseitig zurückdeutet auf die Erkenntnis des gesetzmäßigen Zusammenhanges unseres Bewußtseins: daß die Frage nach unbewußten Tatbeständen nur möglich ist, wofern ein solcher Zusammenhang vorausgesetzt wird; daß alle unbewußten Tatbestände, wofern nicht ihre Annahme von vornherein zu Widersprüchen führen soll, notwendig Tatbestände dieses Zusammenhanges sind; daß diese Widersprüche der Philosophien des Unbewußten teils daher rühren, daß die Analyse des Bewußtseinszusammenhanges von ihnen nicht konsequent durchgeführt wurde, sondern dogmatische Bestandteile der Lehre vom Bewußtsein vorausgesetzt blieben, teils daher, daß im Rahmen der transzendentalen Theorie Kants selber die Analysen, die zur Erkenntnis von unbewußten Tatbeständen notwendig sind, nicht völlig durchgeführt wurden. Zugleich mußten wir die Unrechtmäßigkeit des Anspruchs der Lehren vom Unbewußten einsehen, die Transzendentalphilosophie zu kritisieren und irgendwelche Geltung unabhängig von den Befunden der Transzendentalphilosophie zu behaupten, da die Lehren vom Unbewußten nicht allein die Gültigkeit der – nur in transzendentaler Analyse aufweisbaren – transzendentalen Faktoren notwendig voraussetzen, sondern ihrerseits an ontologische Bedingungen geknüpft sind, die der transzendentalen Kritik verfallen, während die kritische Behauptung der Lehre vom Unbewußten gegen die Transzendentalphilosophie ja gerade dahin geht, daß die ontologisch-rationalistischen

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