Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
Die Einschüchterung der Bürger …«
Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. »Moment«, sagte ich. »Oscar, sind Sie ganz sicher, dass in der Stadt nur zwei geheime Organisationen existieren?«
»Ja«, sagte Oscar. »Die Mäzene und die Intels.«
»Fahren Sie fort, Oscar«, sagte Maria unzufrieden. »Iwan, ich möchte bitten, ihn nicht zu unterbrechen.«
»Entschuldigung«, sagte ich.
Oscar sprach weiter, doch ich hörte ihm nicht mehr zu. Es war, als sei in meinem Gehirn etwas aufgeflammt. Das traditionelle Schema all unserer Maßnahmen mit dem unverrückbaren Axiom, dass eine verzweigte Organisation von Missetätern existiere, war plötzlich zu Staub zerfallen, und ich wunderte mich, wieso ich nicht eher darauf gekommen war, dass es für dieses einfache Land viel zu kompliziert war. Es gab keine geheimen Laboratorien, die von grimmigen Individuen mit Schlagringen bewacht wurden, es gab keine vorsichtigen Geschäftsleute ohne Prinzipien, es gab keine Handlungsreisenden mit doppelten Kragen voller Schmuggelware, und völlig umsonst entwarf Oscar dieses schöne Schema aus Kreisen und Quadraten, mit Linien verbunden und den Aufschriften »Zentrum«, »Stab« sowie zahlreichen Fragezeichen. Es gab nichts zu zerstören und zu verbrennen, es war niemand festzunehmen und auf die Baffin-Insel zu verbannen. Es gab eine moderne Industrie für Haushaltsgeräte, es gab stattliche Kaufhäuser, wo die Slegs für fünfzig Cent das Stück verkauft wurden, und es gab findige Leute – zunächst zwei oder drei –, die vor Nichtstun vergingen und nach neuen Eindrücken lechzten, und es gab ein mittelgroßes Land, wo der Überfluss einst Ziel gewesen, aber nicht Mittel geworden war. Das genügte vollauf.
Jemand hatte irrtümlich einen Sleg statt eines Überlagerers in seinen Empfänger eingesetzt, sich in die Wanne gelegt, um sich zu erholen, gute Musik zu hören oder die letzten Neuigkeiten zu erfahren – und damit fing es an … Gerüchte begannen zu kursieren, die Überbleibsel von Fonoren flogen in die Müllschlucker, bis jemand darauf kam, dass man die Slegs nicht aus den Fonoren zu nehmen brauchte, sondern in Kaufhäusern erwerben konnte. Wieder einem anderen fiel ein, aromatische Salze zu verwenden, und wieder einer nutzte »Dewon« … Die Menschen starben in der Badewanne an nervöser Erschöpfung; die statistische Abteilung des Sicherheitsrates reichte beim Präsidium einen streng geheimen Bericht ein, und sogleich wurde entdeckt, dass sich alle Todesfälle mit Touristen zugetragen hatten, die sich in dem Land aufhielten, und dass es dort mehr solche Todesfälle gab als an jedem anderen Ort des Planeten. Und wie so oft wurde dann auf gut geprüften Fakten eine falsche Theorie aufgebaut; man schickte uns, streng konspirativ, nacheinander hierher, um die geheime Bande aufzuspüren, die mit der unbekannten Droge handelte. Wir kamen hierher, einer nach dem anderen, und machten Dummheiten. Und wie so oft – keine Arbeit ist umsonst –, wenn man einen Schuldigen sucht, sind alle schuldig, vom Bürgermeister bis zu Riemaier, und wenn es alle sind, dann keiner, und jetzt …
»Iwan«, sagte Maria gereizt. »Schlafen Sie?«
Sie blickten mich beide an. Oscar reichte mir das Notizbuch mit der Zeichnung. Ich nahm es und warf es auf den Tisch.
»Hören Sie«, sagte ich. »Oscar hat hervorragende Arbeit geleistet, aber wir sind auf dem Holzweg … Oscar, Sie haben viel gesehen und doch nichts begriffen. Wenn es in diesem Land Menschen gibt, die den Sleg hassen, dann sind es die Intels. Die Intels sind keine Gangster, es sind Verzweifelte, Patrioten. Sie haben sich eine Aufgabe gesetzt – diesen Sumpf aufzuwühlen. Mit allen Mitteln. Dieser Stadt ein Ziel zu geben, sie zu zwingen, sich vom Trog loszureißen … Sie opfern sich, verstehen Sie? Sie lenken das Feuer auf sich und versuchen, in der Stadt eine allen gemeinsame Emotion zu wecken, wenigstens das, und sei es Hass … Haben Sie nicht von dem Tränengas gehört, von den Feuerüberfällen auf das Bibberlein? In den Laboratorien stellen sie keine Slegs her, sondern Bomben, Tränengas – und verstoßen damit gegen das Gesetz zur Kriegstechnik. Für den Achtundzwanzigsten bereiten sie einen Putsch vor. Der Sleg hingegen … da!«
Ich schob jedem einen Sleg hin und erläuterte, was ich darüber dachte.
Zunächst hörten sie mir misstrauisch zu. Dann starrten sie auf die Slegs und wandten kein Auge mehr davon ab, bis ich fertig war, und als ich fertig war, schwiegen
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