Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
verloren.«
»Na so was …«, staunte Fokin und sah sich verstört nach allen Seiten um.
Komow erwachte aus seiner Erstarrung.
»Ryu«, sagte er hastig. »Ich muss unverzüglich Kontakt zur ›Sonnenblume‹ aufnehmen! Fokin, Tanja, fotografiert diese kleine Ausstellung! In einer halben Stunde bin ich zurück.«
Er sprang vom Dach und ging mit schnellen Schritten die Straße zum Stützpunkt hinunter. Schließlich rannte er. Ryu folgte ihm wortlos.
»Was soll denn das bedeuten?«, fragte Fokin konsterniert.
Mboga ging in die Hocke, holte seine kleine Pfeife hervor, stopfte sie ohne jede Eile und sagte: »Es sind Menschen, Boris. Sachen stehlen können auch Tiere, aber gestohlene Gegenstände wiederbringen, das können nur Menschen.«
Fokin wich zurück und setzte sich auf das Rad des Hubschraubers.
Komow kehrte allein zurück. Er war sehr erregt und gab mit hoher, metallisch klingender Stimme Anweisung, das Lager unverzüglich abzubauen. Fokin stellte alle möglichen Fragen, wollte Erklärungen hören, doch das Einzige, was Komow mit der gleichen, unnatürlich klingenden Stimme erwiderte, war: »Befehl vom Kapitän des Raumschiffs ›Sonnenblume‹: innerhalb von drei Stunden die Wetterstation und das Archäologenlager abbauen, sämtliche Kybersysteme außer Betrieb setzen, die Besatzung, einschließlich des Atmosphärenphysikers Ryu Waseda, an Bord der ›Sonnenblume‹ bringen!« Fokin war so verblüfft, dass er sich ohne Widerrede energisch an die Arbeit machte.
Innerhalb von zwei Stunden absolvierte der Hubschrauber acht Transportflüge, und die Lastenkyber walzten zwischen Stützpunkt und Landekapsel eine breite Spur ins Gras. Vom Stützpunkt waren jetzt nur noch die verlassenen Gebäude zu sehen; alle drei Gruppen von Baurobotern waren ins Depot getrieben und ihr Programm gelöscht worden.
Um sechs Uhr Ortszeit, als im Osten die grünliche Morgendämmerung aufflammte, standen sie völlig erschöpft um die Landekapsel herum. Jetzt konnte Fokin nicht mehr an sich halten.
»Also gut«, zischte er wütend. »Du hast uns einen Befehl nach dem anderen erteilt, Gennadi, und ich habe sie alle gewissenhaft ausgeführt. Jetzt aber will ich endlich wissen, weshalb wir von hier weggehen, zum Teufel! Was ist los?«, jaulte er im Falsett auf und warf in malerischer Pose die Arme hoch. Die anderen zuckten vor Überraschung zusammen, und Mboga ließ sogar die Pfeife aus dem Mund fallen, während Fokin fortfuhr: »Was ist? Seit dreihundert Jahren suchen wir nun schon vernunftbegabte Wesen, und jetzt, wo wir sie gefunden haben, hauen wir ab! Das ist doch … Zum Schämen ist das! Wir, die besten Köpfe der Menschheit …«
»Du meine Güte«, seufzte Tanja, und Fokin verstummte. Dann fügte er kläglich hinzu: »Ich verstehe gar nichts mehr.«
»Sie glauben, Boris, dass wir die besten Köpfe der Menschheit sind?«, fragte Mboga.
Komow murmelte mit finsterer Miene: »Wie viel Unheil wir hier angerichtet haben! Ein ganzes Feld haben wir verbrannt, Saaten niedergetreten, sogar geschossen. Und im Bereich des Stützpunktes erst!« Er winkte resigniert ab.
»Wer konnte das denn wissen?«, warf Ryu schuldbewusst ein.
»Ja«, sagte Mboga. »Wir haben viele Fehler gemacht. Aber ich hoffe, dass sie uns verstehen. Sie sind ja zivilisiert.«
»Was ist das schon für eine Zivilisation!«, brauste Fokin auf. »Keine Maschinen, keine Produktionsmittel! Und die Städte, wo sind die?«
»Nun sei endlich still, Boris«, bat Komow. »Was faselst du von Maschinen und Städten. Öffne wenigstens jetzt die Augen für die Wirklichkeit. Können wir vielleicht auf Vögeln fliegen? Haben wir Kolosse gezüchtet, die Honig produzieren? Haben wir es geschafft, die Mücken auszumerzen? Maschinen, ach was …«
»Es ist eine Biozivilisation«, erklärte Mboga.
»Eine was?«, fragte Fokin.
»Eine biologische Zivilisation. Statt Maschinen – Selektion, Genetik, Zähmung. Wer von uns weiß schon, was für Kräfte sie sonst noch bezwungen haben. Und wer will entscheiden, wessen Zivilisation höher zu bewerten ist?«
»Überleg doch nur, Boris«, sagte Tanja. »Gezähmte Bakterien!«
Fokin zupfte verstört an seinem Schnurrbart.
»Wir müssen abreisen«, erklärte Komow, »weil wir nicht befugt sind, die Verantwortung für den Erstkontakt zu übernehmen.«
Bei sich aber dachte er: Was für ein Jammer, von hier wegzugehen! Ich würde diese Wesen viel lieber aufspüren, mich mit ihnen treffen, mit ihnen reden, einen Eindruck von ihnen
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