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Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Titel: Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki , Arkadi Strugatzki
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ausgekommen wäre.«
    »Du bist zu beneiden«, meinte Matwej.
    »Übrigens.« Gorbowski war etwas eingefallen. »In Moskau ist ein Buch erschienen: ›Nichts ist bitterer als deine Freude‹ von Sergej Wolkow. Wieder so eine Bombe der Emotiolisten. Genkin hat sich in einem beißenden Artikel darüber ausgelassen. Sehr geistreich, aber nicht überzeugend.Die Literatur soll so sein, schreibt er, dass man sie gern präpariert – was die Emotiolisten mit hämischem Gelächter quittiert haben. Wahrscheinlich dauert der Streit immer noch an. Ich werde das nie verstehen: Warum können sie sich nicht einfach gegenseitig tolerieren?«
    »Ganz einfach«, antwortete Matwej. »Jeder bildet sich ein, dass er Geschichte macht.«
    »Aber das tut er ja!«, versetzte Gorbowski. »Jeder macht Geschichte! Wir Durchschnittsmenschen befinden uns doch ohnehin die ganze Zeit unter ihrem Einfluss.«
    »Ich will nicht darüber streiten, Leonid«, sagte Matwej. »Ich habe keine Zeit, darüber nachzudenken. Mich beeinflussen sie jedenfalls nicht.«
    »Ja, lass uns nicht streiten«, sagte Gorbowski. »Komm, wir trinken noch einen Schluck. Wenn du willst, koste ich auch euren Wein. Aber nur, wenn dir das wirklich hilft.«
    »Mir hilft jetzt nur noch eins: dass Lamondois kommt und mit Enttäuschung in der Stimme sagt, die Welle habe sich aufgelöst.«
    Einige Zeit saßen sie schweigend da, tranken Saft und warfen sich von Zeit zu Zeit Blicke über das Glas hinweg zu.
    »Dein Telefon hat ja schon ewig nicht mehr geläutet«, unterbrach Gorbowski die Stille. »Direkt eigenartig ist das.«
    »Das macht die Welle«, erklärte Matwej. »Alle sind beschäftigt, die Streitereien zu vergessen. Wer kann, sucht das Weite.«
    Die Tür zu Matwejs Zimmer öffnete sich, und auf der Schwelle stand Etienne Lamondois. Er sah nachdenklich aus und bewegte sich ungewöhnlich langsam, fast gemessen. Der Direktor und Gorbowski blickten ihm schweigend entgegen. Gorbowski hatte plötzlich einen bitteren Geschmack im Mund. Er konnte sich nicht vorstellen, was im nächsten Augenblick geschehen würde oder schon geschehen war, aber er wusste, dass es mit der Ruhe nun vorbei sei. Er schaltete das Radio aus.
    Als Lamondois am Tisch angelangt war, blieb er stehen. »Es sieht so aus, als müsste ich Ihnen jetzt Kummer bereiten«, sagte er schleppend und mit monotoner Stimme. »Die ›Charybden‹ haben nicht standgehalten.« Matwej sackte merklich zusammen. »Die Front ist sowohl im Norden als auch im Süden durchbrochen. Die Welle bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von zehn Metern in der Sekunde fort. Die Verbindung zu den Kontrollstationen ist unterbrochen. Ich konnte gerade noch den Befehl zur Sicherstellung der wertvollsten Apparaturen und des Archivmaterials geben.« Er wandte sich an Gorbowski. »Sie sind unsere letzte Hoffnung, Kapitän. Würden Sie mir bitte sagen, wie groß das Transportvolumen der Landefähre ist?«
    Gorbowski gab keine Antwort, er sah Matwej an. Die Augen des Direktors waren geschlossen, seine riesigen Handflächen strichen ziellos über die Tischplatte.
    »Das Transportvolumen?«, wiederholte Gorbowski und erhob sich. Er ging zum Schaltpult, zog das Mikrofon für die Nachrichtenübermittlung heran und sagte: »Achtung, Regenbogen! Pilot Walkenstein und Bordingenieur Dickson sofort an Bord der Landefähre!« Dann drehte er sich zu seinem Freund herum und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ist halb so schlimm, Matwej«, beruhigte er ihn. »Wir werden schon alle unterbringen. Gib Anweisung, das Kinderdorf zu evakuieren. Ich werde mich um die Krippe kümmern.« Erst dann erklärte er, an Lamondois gewandt: »Und was den übrigen Laderaum betrifft – er ist sehr gering, Etienne.«
    Lamondois’ Augen waren dunkel und ganz ruhig. Es waren die Augen eines Menschen, der von sich wusste, dass er immer recht hatte.

6
    Robert konnte alles genau beobachten. Er hockte auf dem flachen Dach des Kontrollturms und demontierte die Energieantennen. Achtundvierzig dünne, schwere Stangen, die in einem parabolischen Rahmen verankert waren. Jede Stange musste sorgfältig herausgelöst und in einem Spezialfutteral verpackt werden. Trotz aller Behutsamkeit arbeitete Robert schnell; hin und wieder warf er einen besorgten Blick nach Norden.
    Am Horizont stand eine hohe schwarze Wand. Wo sie in die Tropopause ragte, hing ein gleißender Lichtstreifen. Oberhalb des Streifens war der Himmel klar; blassviolette Blitze zuckten dort auf und verloschen ebenso schnell,

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