Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
Flyer. Er sah Tanjas Gesicht, das ihm zugewandt war, und die Kinder, die Tanja lachend umringten. Robert winkte ihnen fröhlich zu und nahm alle Kraft zusammen, um sich zu einem unbekümmerten Lächeln zu zwingen. Am Flyer angelangt, sah er hinein, richtete sich dann auf und rief: »Tanja, bitte komm mal her und hilf mir!«
Im gleichen Moment kroch Gaba auf allen vieren hinter dem Bus hervor. »Na, was steht ihr hier herum?«, rief er den Kindern zu. »Wer fängt Shir Khan, den großen Tiger der Dschungel?« Er stieß einen durchdringenden Schrei aus und verschwand im Wald. Einen Augenblick lang standen die Kleinen mit offenen Mündern da und sahen ihm hinterher. Dann quiekte jemand laut los, ein anderer brach in wildes Indianergeheul aus, und schon sauste der ganze Trupp hinter Gaba her.
Tanja, die ihnen lächelnd nachschaute, kam auf Robert zu und sagte verwundert: »Eigenartig ist das … als käme gar keine Katastrophe auf uns zu.«
Robert sah noch immer zum Wald hinüber, obwohl niemand mehr zu sehen war. Nur das Lachen und Kreischen, das Knacken von Zweigen und das drohende Brüllen des wil den Tigers drangen zu ihnen herüber.
»Du hast so einen eigenartigen Blick, Robby«, sagte Tanja.
»Dieser Gaba ist ein komischer Kauz«, erwiderte Robert und bereute es sofort. Er hätte schweigen sollen, die Stimme gehorchte ihm nicht.
»Was ist passiert, Robby?«, fragte Tanja verstört.
Er sah unwillkürlich über ihren Kopf hinweg zum Himmel. Tanja wandte sich gleichfalls um und presste sich dann ängstlich an ihn. »Was ist das?«, wollte sie wissen.
Die Welle reichte schon bis an die Sonne heran.
»Wir müssen uns beeilen«, erwiderte Robert. »Steig in die Kabine und heb den Sitz hoch.«
Tanja sprang flink in den Flyer. Da folgte ihr Robert mit einem gewaltigen Satz, packte sie mit dem rechten Arm um die Schultern und presste sie so, dass sie sich nicht mehr rühren konnte. Gleichzeitig riss er den Flyer aus dem Stand in die Höhe.
»Robby«, flüsterte Tanja entsetzt. »Was hast du vor? Robby!«
Robert sah sie nicht an. Er holte aus dem Flyer heraus, was er konnte. Nur aus den Augenwinkeln gewahrte er unter sich die Waldwiese, den verlassenen Aerobus und das kleine Kindergesicht, das ihnen vom Fahrersitz des Busses neugierig nachblickte.
8
Die Tageshitze war schon im Abklingen, als die letzten Aeromobile, total überladen und mit durchgedrückten Chassis, auf den schmalen Straßen landeten, die auf den Platz vor dem Ratsgebäude zuliefen. Auf dem weiträumigen Gelände hatte sich fast die gesamte Bevölkerung des Regenbogenplaneten eingefunden.
Von Norden und Süden her rollten in schwerfälligen Kolonnen und mit Donnergetöse unförmige »Maulwürfe« heran, auf denen die Erkennungszeichen der Pioniere und die gelben Blitze der Energetiker zu sehen waren. Pioniere und Energetiker bildeten auf dem Platz sogleich ein Lager und machten sich nach einer knappen Beratung – zwei Männer kamen zu Wort, denen jeweils drei Minuten Sprechzeit zugebilligt worden war – in größter Eile an das Ausheben der Unterstände. Ein ohrenbetäubendes Dröhnen erscholl, als die »Maulwürfe« die Betondecke aufzureißen begannen, um sich dann einer nach dem anderen in die Erde hineinzufressen. Am Rand des Schachtes wuchs zusehends ein Berg bröckelnder Erde, und über dem Platz breitete sich der säuerliche Geruch von denaturiertem Basalt aus.
In den ausgestorbenen Etagen des Theaters, das dem Ratsgebäude gegenüberlag, waren jetzt die Nullphysiker untergebracht. Den ganzen Tag über hatten die unermüdlichen Diener der Wissenschaft Schritt für Schritt zurückweichen müssen, hatten mithilfe der »Charybden« um jeden Beobachtungsposten und jede Station der Fernkontrolle gekämpft, hatten versucht, so viele Apparaturen und Forschungsunterlagen wie möglich zu retten, und jede Minute ihr Leben aufs Spiel gesetzt – bis sie schließlich der ausdrückliche Befehl Lamondois’ und des Direktors in die Hauptstadt zurückrief. Sie waren an ihren erregten, zum Teil schuldbewussten Mienen zu erkennen, auch an den hektischen Stimmen, dem nervösen, unnatürlich lauten Lachen und an dem Galgenhumor, der ihre Gespräche über die Geschehnisse der vergangenen Stunden begleitete. Jetzt hatten sie alle Hände voll zu tun, um unter Aristoteles’ und Pagawas Anleitung das wertvollste Material auszuwählen und vor der Evakuierung auf Mikrofilm zu übertragen.
Eine größere Gruppe von Monteuren und Meteorologen hatte in einem
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