Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
ein gewisser Patrick angestellt haben sollten. Den Berechnungen zufolge müsste sich die Energie der nördlichen und südlichen Welle bei einem Aufprall am Äquator gegenseitig aufheben. Es hieß, der Planet werde sich anschließend mit einer anderthalb Meter dicken Schneeschicht überziehen.
Es gingen auch Gerüchte um, eine halbe Stunde zuvor sei im Institut für diskreten Raum, dessen mattweiße Wände vom Platz aus für jeden sichtbar waren, endlich der erste erfolgreiche Nulltransport eines Menschen zum Sonnensystem geglückt. Man nannte sogar den Namen des Mannes, der als erster Nullflieger der Welt gerade wohlbehalten auf dem Pluto gelandet sein sollte.
Andere wiederum wussten von Signalen zu berichten, die die südliche Welle durchbrochen hätten. Sie seien durch atmosphärische Störungen ziemlich entstellt gewesen, hätten aber dennoch dechiffriert werden können. So wollte man erfahren haben, dass einige Leute, die freiwillig auf einer der Energiestationen zurückgeblieben waren, die Welle überlebt hatten und sich den Umständen entsprechend gut fühlten. Das ließ darauf schließen, dass die P-Welle im Vergleich zu früheren Typen keine reale Gefahr für das Leben auf dem Planeten darstellte. Man hätte, so hieß es, sogar die Namen der Glücklichen durchgegeben, und sogleich fanden sich ein paar Leute, die behaupteten, diese persönlich zu kennen. Zur Bekräftigung der Nachricht wurde der Bericht eines Augenzeugen wiedergegeben, der gesehen haben wollte, wie der allerorts bekannte Kamillo in einem brennenden Flugwagen die Welle durchquert hatte und, mit den Armen fuchtelnd und irgendetwas rufend, gleich einem wunderlichen Kometen vorübergesaust war.
Große Verbreitung fand auch das Gerücht über einen ehemaligen Kosmonauten, der jetzt im Schacht arbeitete und sinngemäß gesagt haben sollte: »Den Kommandanten des ›Pfeil‹ kenne ich schon hundert Jahre. Wenn der sagt, er kommt in zehn Stunden, dann ist er in spätestens drei Stunden da. Man darf nicht jedes Wort des Obersten Rats für bare Münze nehmen. Darin sitzen Leute, die keine Ahnung von einem modernen Raumschiff haben und nicht wissen, was es unter der Führung eines erfahrenen Kommandanten leisten kann.«
Die Welt hatte plötzlich aufgehört, einfach und klar zu sein. Es wurde schwierig, Wahrheit von Unwahrheit zu tren nen. Menschen, die man als absolut ehrlich zu kennen glaubte, begannen plötzlich bedenkenlos zu schwindeln, nur um andere aufzurichten und zu beruhigen. Und zwanzig Minuten später sah man sie völlig niedergeschmettert, weil sie aufgeschnappt hatten, dass die Welle zwar keine unmittelbare Lebensgefahr darstelle, aber die Psyche des Menschen auf ewig verkrüppele und ihn auf die Stufe eines Höhlenmenschen zurückversetze.
Die Menschen auf dem Platz beobachteten, wie eine hochgewachsene Frau mit verweintem Gesicht ins Ratsgebäude eindrang. Sie hatte einen etwa fünfjährigen Jungen in roten Hosen an der Hand. Viele kannten sie – Shenja Wjasanizyna, die Frau des Direktors. Sehr bald schon kam sie in Begleitung Kanekos wieder heraus, der sie höflich, aber entschieden am Arm führte. Sie weinte nicht mehr, doch ihr Gesicht drückte solche Entschlossenheit aus, dass die Umstehenden erschrocken zur Seite wichen, um ihr Platz zu machen. Der Junge knabberte seelenruhig an einem Keks.
Wer einer Tätigkeit nachgehen konnte, dem ging es besser. Darum beschloss die Gruppe der Künstler, Schriftsteller und Touristen, die sich in einer fruchtlosen Diskussion heiser geredet hatten, sich zu den Raketenmonteuren am Stadtrand zu gesellen. Auch wenn sie diesen nicht wirklich würden helfen können, erhofften sie sich dennoch eine wie auch immer geartete Beschäftigung. Einige stiegen auch in den Stollen hinunter, der mittlerweile horizontal ausgebaut wurde; andere, zumeist erfahrene Piloten, bestiegen ihr Aeromobil und jagten nach Norden oder Süden, um sich den Beobachtern des Obersten Rats anzuschließen, die bereits seit Stunden mit dem Tod Verstecken spielten.
Die Zurückbleibenden sahen, wie vor der Auffahrt zum Ratsgebäude ein rauchgeschwärzter und verbeulter Flyer landete. Zwei Männer stiegen aus, was sie offensichtlich große Anstrengung kostete. Wie betäubt blieben sie einen Augenblick neben dem Fahrzeug stehen und wankten dann, sich gegenseitig stützend, zum Eingang. Ihre Gesichter waren gelb und aufgedunsen, und nur die wenigsten erkannten den jungen Physiker Karl Hoffmann und den Testflieger Timothy Sawyer, der
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