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Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Titel: Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki , Arkadi Strugatzki
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Leben gehabt hatte; der alte – weil ihm ohnehin nicht mehr viel Zeit übrig blieb. Die meisten brachten es fertig, gegen diesen Gedanken anzukämpfen – eine Willensanstrengung –, und schon war er in die geheimen Tiefen zurückgedrängt. Wem das nicht gelang, versuchte, an gar nichts zu denken und seine Todesfurcht so gut es ging zu verbergen. Und die Übrigen … Es war unglaublich schade um die Arbeit, die die Menschen hier geleistet hatten. Noch mehr taten einem die Kinder leid. Auch wenn sie manchen hier herzlich gleichgültig waren – man musste an die Kinder denken! Sie bedauerte Gorbowski am meisten. Und das Schlimmste war: Er musste eine Entscheidung treffen. Zum Teufel, wie schwer das manchmal sein konnte, sich zu entscheiden! Jetzt gleich musste er seinen Entschluss fassen und ihn laut, sodass ihn alle hören konnten, verkünden. Damit aber würde er eine ungeheure Verantwortung auf sich nehmen, eine Verantwortung, die ihm niemand abnahm. Er musste vor sich selbst bestehen, um sich in den drei Stunden, die ihm noch blieben, als Mensch fühlen zu können. Himmel hilf!, dachte Gorbowski. Dann ging er zu Lamondois und nahm ihm das Megafon aus der Hand. Lamondois schien es nicht einmal zu bemerken.
    »Ich habe den Eindruck«, begann Gorbowski forsch, »dass hier ein Missverständnis vorliegt. Der Genosse Lamondois hat Ihnen vorgeschlagen, sich zu entscheiden. Aber es ist bereits alles entschieden. Die Säuglinge und die Mütter mit Neugeborenen sind schon auf dem Schiff.« (Ein Seufzer der Erleichterung ging durch die Menge.) »Die übrigen Kinder werden gerade an Bord genommen. Ich denke, der Platz wird für alle reichen. Ich bin sogar überzeugt davon. Sie müssen entschuldigen, wenn ich diesen Beschluss allein gefasst habe, aber ich bin dazu befugt. Ich habe sogar das Recht, energisch gegen eventuelle Versuche vorzugehen, die mich an der Ausführung meines Beschlusses hindern. Ich glaube aber, dass ich von diesem Recht keinen Gebrauch machen muss. Im Übrigen hat Genosse Lamondois soeben einige interessante Gedanken geäußert, und wenn die Zeit nicht drängte, würde ich sehr gern mit ihm darüber sprechen … Ein Wort noch an die hier versammelten Eltern: Der Zutritt zum Kosmodrom ist selbstverständlich freigegeben, nur das Betreten der Landefähre – dafür haben Sie sicherlich Verständnis – ist nicht erlaubt.«
    »Das war’s«, sagte jemand laut. »Ist schon richtig so. Schachtarbeiter mir nach!«
    Die Menge löste sich aus ihrer Erstarrung und geriet in Bewegung. Einige Flugwagen stiegen auf.
    »Wir müssen davon ausgehen«, fuhr Gorbowski fort, »dass das Wertvollste, was wir besitzen, die Zukunft ist …«
    »Die haben wir nicht mehr«, unterbrach ihn eine harte Stimme aus der Menge.
    »Im Gegenteil, wir haben sie. Unsere Zukunft sind die Kinder. Ich gebe zu, dieser Gedanke ist nicht gerade neu. Aber trotzdem, man muss gerecht sein. Das Leben ist herrlich, und wir alle, die wir hier stehen, wissen das. Aber unsere Kinder haben das Leben noch nicht kennengelernt. Wie viel Glück steht ihnen bevor! Von den Nullproblemen, die sie erwarten, gar nicht zu reden.« (Die Menge applaudierte.) »Und nun entschuldigen Sie mich bitte, ich muss an Bord.«
    Gorbowski reichte einem der Ratsmitglieder das Megafon und trat zu Matwej. Der Direktor klopfte ihm mehrmals anerkennend auf die Schulter. Sie sahen auf die Leute hinunter, sahen ihre Gesichter, die sich jetzt irgendwie entspannt hatten und nicht mehr ganz so unglücklich wirkten. Gorbowski seufzte und murmelte: »Eigenartig ist das mit uns Menschen. Da vervollkommnen wir uns nun und vervollkommnen uns, werden immer besser, klüger, gütiger und trotzdem: Wie erleichtert sind wir doch, wenn uns jemand die Last einer Entscheidung abnimmt …«

9
    Die »Tariel II«, eine Landefähre vom Typ Sigma-L, war so konstruiert, dass sie einige wenige Wissenschaftler mit einem Minimum an Laborausrüstung über weite Strecken befördern konnte. Von gewaltiger Schubkraft angetrieben, stabil und zuverlässig, war sie wie geschaffen für Landungen auf Planeten mit extremen Temperaturen. Sie bestand zu fünfundneunzig Prozent aus energieerzeugenden Aggregaten. Selbstverständlich besaß das Raumschiff ein Wohnsegment aus fünf winzigen Kabinen, einem sehr kleinen Mannschaftslogis, einer Kochnische und einer geräumigen Kommandozentrale, die mit Steuerungs- und Kontrollinstrumenten bestückt war. Außerdem gab es eine Lastenabteilung, einen großen Raum mit kahlen

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