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Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Titel: Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki , Arkadi Strugatzki
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Sonnenstrahlen durchsetzt. Die Chaussee wurde langsam leerer; einige Leute gingen in die Steppe, andere ließen sich am Wegrand nieder.
    In der Stadt prangten rechts und links entlang der Hauptstraße leuchtende Farbtupfen – die Künstler hatten ein letztes Mal ihre Werke ausgestellt. Mehrere Menschen standen davor und betrachteten die Bilder, die gegen die Bordsteinkante, gegen Bäume und Häuserwände gelehnt oder an den Lichtmasten befestigt waren, hingen Erinnerungen nach oder empfanden stille Freude. Irgendwo brach jemand einen Streit vom Zaun, und eine hübsche, zierliche Frau ging, bitterlich schluchzend, vorüber und wiederholte: »Wie konnte er das tun … Mein Gott, wie konnte er das tun!« Gorbowski glaubte, sie schon einmal gesehen zu haben, entsann sich aber nicht mehr, wo.
    Da vernahm er eine Melodie, die er noch nie gehört hatte. In einem Terrassencafé, gleich neben dem Ratsgebäude, spielte ein schmächtiger Mann leidenschaftlich und überaus temperamentvoll auf einer Konzertorgel. Die Leute an den Tischen hörten ihm aufmerksam zu; fast reglos saßen sie da, und viele, die keinen Platz mehr gefunden hatten, saßen auf den Stufen oder direkt auf dem Rasen, um dem Spiel zu lauschen. An der Orgelbank lehnte ein großes Pappschild, auf dem mit ungelenken Buchstaben geschrieben stand: »Der ferne Regenbogen. Unvollendet.«
    Um den ausgehobenen Stollen herum drängten sich viele Leute, und alle waren beschäftigt. Die riesige, noch unfertige Eingangswölbung glänzte matt. Aus dem Theatergebäude sah man in langer Reihe die Nullphysiker zum Bunker gehen; sie schleppten Aktenbündel, Päckchen und unzählige Schachteln heran. Gorbowski fiel sofort die Mappe ein, die Maljajew ihm anvertraut hatte. Er versuchte, sich zu erinnern, in welcher Ecke des Raumschiffs er sie verstaut hatte. Wahrscheinlich in der Kommandozentrale. Oder im Unterdeck? Lieber nicht daran denken … Es lohnte nicht mehr. Jetzt wollte er aller Sorgen ledig sein. Eigenartig, hatten die Physiker wirklich noch Hoffnung? Wo doch inzwischen klar war, dass kein Unterstand die Menschen mehr retten konnte. Höchstens lohnte es sich noch, einige Arbeitsergebnisse vor der Welle in Sicherheit zu bringen. Aber auch dazu musste ein Wunder geschehen. Seltsamerweise glaubten ausgerechnet die größten Skeptiker und Vernunftmenschen auf dem Planeten an ein Wunder …
    An der Auffahrt zum Ratsgebäude saß ein Mann in einer zerrissenen Fliegeruniform, die Beine vor sich ausgestreckt. Er war blind, sein Gesicht unter Binden verborgen. Auf seinen Knien lag ein mit Nickel verziertes, blitzendes Banjo. Mit zurückgeworfenem Kopf lauschte der Blinde der Musik vom »Fernen Regenbogen«.
    Am Eingang zum Unterstand tauchte plötzlich Hans auf, der Pseudopilot, der einen großen Ballen auf der Schulter trug. Als er Gorbowski erkannte, lächelte er und sagte im Vorbeigehen: »Hallo, Kapitän! Was machen die Ulmotrone? Haben Sie noch welche bekommen? Wir sind jetzt dabei, unsere Archive zu begraben … Ziemliche Schinderei. Ein verrückter Tag ist das heute!« Hans war offenbar der Einzige auf dem Regenbogenplaneten, der nicht mitbekommen hatte, dass Gorbowski der echte Kommandant der »Tariel« war.
    Gleich darauf hörte Gorbowski jemanden laut seinen Namen rufen und sah am Ratsgebäude hoch. Matwej hatte sich aus dem Fenster seines Arbeitszimmers gelehnt und sagte: »Die ›Tariel‹ ist bereits auf der Umlaufbahn. Es ist alles in Ordnung. Wir haben uns eben verabschiedet.«
    »Komm doch runter«, schlug Gorbowski vor. »Wir gehen zusammen …«
    Matwej schüttelte den Kopf. »Das geht leider nicht, mein Lieber. Ich habe noch eine Menge zu tun, und die Zeit drängt …« Er schwieg einen Augenblick und fügte dann etwas verlegen hinzu: »Shenja hat sich übrigens eingefunden, und weißt du, wo?«
    »Ich kann es mir denken«, antwortete Gorbowski.
    »Warum hast du das zugelassen?«, wollte Matwej wissen.
    »Mein Ehrenwort, ich habe nichts damit zu tun«, antwortete Gorbowski.
    Matwej schüttelte nochmals, diesmal vorwurfsvoll, den Kopf und verschwand vom Fenster. Gorbowski schlug den Weg zum Strand ein.
    Es war ein herrlicher goldgelber Strand mit bequemen Liegen und farbenfrohen Sonnenschirmen. An der kleinen Anlegestelle lagen dicht nebeneinander mehrere Kutter und Boote. Gorbowski machte es sich auf einer der Liegen bequem, streckte behaglich die Beine aus, verschränkte die Hände über dem Bauch und betrachtete den westlichen Himmel mit der glutroten

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