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Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Titel: Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki , Arkadi Strugatzki
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ausgelaugt – doch welche Freude, als er plötzlich Matwej auf sich zukommen sah. Allerdings war Matwej allein.
    »Wo ist denn Shenja?«, fragte Gorbowski.
    Matwej blieb stehen und blickte um sich. »Sie war hier«, sagte er. »Ich habe eben mit ihr über Radiofon gesprochen … Was denn, sind die Luken schon zu?« Er hielt noch immer Ausschau nach seiner Frau.
    »Ja, sie starten gleich«, antwortete Gorbowski, der sich ebenfalls nach allen Seiten umsah. Vielleicht ist sie in einem der Hubschrauber, dachte er. Aber er wusste, dass das unmöglich war.
    »Wirklich eigenartig, dass Shenja nicht hier ist«, meinte Matwej.
    »Vielleicht ist sie in einem der Hubschrauber«, sprach Gorbowski seinen Gedanken laut aus. Und plötzlich wusste er, wo sie war. Hat sie es trotzdem geschafft, dachte er.
    »Nun habe ich Aljoschka nicht mehr gesehen«, bedauerte Matwej.
    Ein seltsam anschwellender Ton, der an ein krampfartiges Seufzen erinnerte, erhob sich über dem Kosmodrom. Der gewaltige, bläulich schimmernde Flugkörper löste sich von der Erde und gewann langsam an Höhe. Nun sehe ich zum ersten Mal den Start meines eigenen Raumschiffs, dachte Gorbowski.
    Matwej verfolgte den Start aufmerksam; plötzlich aber, als habe er Gorbowskis Gedanken erraten, wandte er sich abrupt um und starrte ihn verdutzt an. »Halt mal …«, murmelte er. »Wie ist das möglich? Wieso bist du hier? Und die ›Tariel‹ …?«
    »Pischta ist an Bord«, erklärte Gorbowski.
    Matwejs Augen wurden starr. »Schau mal dort …«, flüsterte er.
    Gorbowski drehte sich um. Am Horizont stand ein gleichmäßiger gleißender Streifen.

10
    Als sie den Stadtrand erreicht hatten, bat Gorbowski anzuhalten. Dickson bremste und sah ihn abwartend an.
    »Ich gehe zu Fuß weiter«, erklärte Gorbowski und stieg aus. Nach ihm kletterte auch Mark aus dem Wagen und half dann Alja Postyschewa heraus. Seit sie vom Kosmodrom losgefahren waren, hatten die beiden schweigend auf dem Rücksitz gesessen, sich wie Kinder bei den Händen gehalten, und Alja hatte ihr Gesicht an Marks Schulter gelehnt, die Augen geschlossen.
    »Kommen Sie mit, Percy«, schlug Gorbowski vor. »Wir werden Blumen pflücken, und es ist auch nicht mehr so heiß. Sie brauchen sich nicht um Ihr Herz zu sorgen, es wird Ihnen guttun.«
    Dickson schüttelte seinen zerzausten Kopf. »Nein, Leonid«, erwiderte er. »Es ist besser, wir verabschieden uns hier. Ich fahre weiter.«
    Es war kühl geworden, die Sonne stand schon tief. Es war, als leuchtete sie durch einen Korridor mit schwarzen Wänden, denn beide Wellen – die nördliche und die südliche – hatten sich inzwischen hoch über den Horizont erhoben.
    »Ich werde diesen Korridor entlangfahren«, sagte Dickson. »Solange es geht. Leb wohl, Leonid. Leb wohl, Mark. Und auch du, Alja, leb wohl. Geht jetzt … Ihr wollt sicher allein sein.«
    »Ja«, antwortete Mark. »Leb wohl, Percy … Komm, Alja.« Er lächelte Gorbowski flüchtig zu, legte einen Arm um das Mädchen und machte sich mit ihm auf den Weg. Gorbowski und Dickson sahen ihnen nach.
    »Die beiden haben sich ein bisschen zu spät gefunden«, meinte Dickson.
    »Möglich«, stimmte Gorbowski zu. »Trotzdem beneide ich sie.«
    »Dass du immer alle Leute beneiden musst, Leonid. Darin bist du wirklich einmalig. Aber abgesehen davon, beneide ich die beiden ebenfalls. Darum nämlich, weil sie jemanden haben, der in den letzten Minuten an sie denkt. An mich wird niemand denken … an dich übrigens auch nicht, Leonid …«
    »Wenn du willst, denke ich an dich«, schlug Gorbowski vor.
    »Ach was, das lohnt nicht.« Dickson kniff die Augen zusammen und schaute zur untergehenden Sonne. »Nun«, sagte er, »diesmal kommen wir, wie es scheint, nicht davon. Also dann: adieu, Leonid.«
    Er nickte ein letztes Mal und fuhr los, während sich Gorbowski gemessenen Schritts, zusammen mit ein paar anderen Leuten, die es ebenfalls in die Hauptstadt zog, auf der Chaussee in Marsch setzte. Er fühlte sich – zum ersten Mal an diesem turbulenten, anstrengenden und schrecklichen Tag – leicht und ruhig. Um niemanden brauchte er sich mehr zu kümmern, keine Entscheidungen mehr zu treffen. Alle um ihn herum wussten selbst, was zu tun war, sodass auch er jetzt frei und unabhängig war. Unabhängig wie noch nie in seinem Leben.
    Der Abend war schön, und ohne die schwarzen Wände rechts und links, die allmählich in den blauen Himmel hineinwuchsen, wäre er ganz wunderbar gewesen: still, klar, kühl, von rötlichen

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