Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
Autoren waren mit der Arbeit zufrieden, sie konnten damals natürlich nicht ahnen, welche Unannehmlichkeiten ihnen bevorstanden, und waren voller Optimismus. Die ersten Leser jedoch (Verwandte, Freunde) erwiesen sich als weitaus hellsichtiger. Alle hielten es für angebracht, ihre Befürchtungen zu äußern, und einer äußerte sich recht elegant: »Der Roman wird zweifellos Erfolg bei den Leuten haben, die ihn lesen. Auf dem Index natürlich.«
Wenn man die Korrespondenz zwischen Arkadi und Boris im Zeitraum vom Mai ’63 bis Februar ’64 fortlaufend liest, entsteht deutlich der Eindruck eines heraufziehenden Gewitters. Den Vorschuss haben sie schon erhalten, das Manuskript glücklich abgegeben, und es ist in Produktion gegangen, im Lektorat scheint es durchweg wohlwollende Aufnahme gefunden zu haben – und doch stimmt etwas nicht, irgendwo ballt sich etwas zusammen, noch hinterm Horizont, irgendeine Bedrohung baut sich auf, und man versteht nicht einmal, worum es eigentlich geht.
Das erste Warnsignal war ein Brief von Arkadi, den Boris am 3. 2. 1964 erhielt:
… Wie schon gesagt, haben sie die »Gierigen Dinge« Jefremow 6 gegeben, damit er ein Vorwort schreibt. Der Alte hat mich angerufen und zu einem Gespräch eingeladen. Und Folgendes hat er mir gesagt. […] Die Welt, die wir beschrieben haben, ist derart deutlich und schrecklich, dass sie für die Menschheit absolut nichts Gutes mehr erhoffen lässt. Das ist keine sowjetische Fantastik, sondern westliche, mit Schrecken und Bitternis angesichts der Zukunft. Die Agententypen – wie er Maria und Shilin nennt – machen einen erbärmlichen Eindruck, es ist ganz offensichtlich, dass die Welt, die sie vertreten, ebenso erbärmlich und hilflos ist. Übrigens sind die Menschlein in jenem Land (Eindruck: in der ganzen Welt) derart elend und arm an Geist, dass der Sleg wie eine blasse, unnötige Zutat wirkt.
Er hat gesagt, dass er natürlich ein Vorwort schreiben wird, weil er uns gern hat und uns für die einzige Hoffnung der sowjetischen Fantastik hält (dabei ist er nicht besonders freigiebig mit Komplimenten – ich hab derlei zum ersten Mal von ihm gehört), doch nach einem Gespräch mit Shemaitis [dem damaligen Leiter des SF-Lektorats im Verlag Molodaja Gwardija – B. S.] zu urteilen, das er am Tag zuvor hatte, wird das Vorwort allein nicht nützen und das Buch einfach gestoppt werden. […]
Was schlägt er vor? Entweder a) einen Untertitel, etwa in der Art: »Die gierigen Dinge des Jahrhunderts. Erster Teil: Das Land der triumphierenden Dummköpfe«. Das wird ihm erlauben, im Vorwort zu schreiben, dass wir einen zweiten Teil schreiben wollen, wo wir zeigen, wie die Menschheit mit dem Krebsgeschwür, das sich an ihrem Körper gebildet hatte, fertiggeworden ist.
Oder b) eine bestimmte Menge Einschübe zusammenschustern, in denen wir Sieg und Macht der Welt zeigen, aus der Shilin stammt. […]
Mir persönlich sagt weder das eine noch das andere zu. Die Frage ist: Werden wir dieses Buch veröffentlichen oder nicht? Beachte, dass das Cheflektorat dieses Buch in der gegenwärtigen Form auf keinen Fall durchlassen wird …
Was Boris antwortete, ist nicht bekannt; die Antwort ist verloren gegangen. Vielleicht kam Arkadi für ein paar Tage eigens nach Leningrad, und es wurden irgendwelche Korrekturen und Einschübe vorgenommen, die den aussichtslosen Text »veredelten«? Ich weiß es nicht mehr. Anscheinend war es so. Anscheinend kamen damals die großen eingeschobenen Passagen des letzten Kapitels ins Manuskript, Passagen, die dem düsteren Weltbild wenigstens ein paar Hoffnungsschimmer verleihen sollten. Und man muss sagen, dass sich das als hilfreich erwies, wenn auch nur vorübergehend.
20. 2. 65 – Arkadi: »Der Cheflektor hat die ›Gierigen Dinge‹, ohne sie zu lesen, genehmigt (wahrscheinlich hat er das Vorwort der Autoren gelesen und war es zufrieden); Verluste: das Motto von Wosnessenski wurde gestrichen, weiter nichts. Bela [Bela Grigorjewna Kljujewa, damals unsere Lektorin und wichtigste Wohltäterin bei Molodaja Gwardija – B. S.] hat das ›Erste Buch‹ und den ›Augiasstall‹ kühn gestrichen, dazu alles, was sich in Jefremows Vorwort auf dieses ›Erste Buch‹ bezieht. Brava!«
Das erste Geplänkel wurde ohne nennenswerte Verluste für den Roman beendet. Heute erinnere ich mich nicht mehr daran, aber augenscheinlich schrieben die Autoren zu alledem auch noch ein Vorwort, wo sie die ganze notwendige Ideologie unterbrachten, sodass der
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