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Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Titel: Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki , Arkadi Strugatzki
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Wohlwollen.
    »Herzlich willkommen«, sagte er halblaut. »Wie gefällt Ihnen unsere Sonne?« Er schaute auf den Pass in meiner Hand. »Ein schöner Morgen, nicht wahr?«
    Ich reichte ihm den Pass und stellte den Koffer auf die weiße Absperrung. Mit langen, vorsichtigen Fingern blätterte der Zöllner rasch die Seiten durch. Seine weiße Uniform hatte silberne Knöpfe, an den Schultern hingen Silberschnüre. Er legte den Pass hin und tippte auf den Koffer.
    »Sonderbar«, sagte er. »Der Überzug ist noch nicht trocken. Kaum zu glauben, dass irgendwo schlechtes Wetter ist.«
    »Ja, bei uns ist schon Herbst«, sagte ich seufzend, während ich den Koffer öffnete.
    Der Zöllner lächelte mitfühlend und blickte zerstreut in den Koffer.
    »Unter unserer Sonne kann man sich den Herbst gar nicht vorstellen«, sagte er. »Danke, das genügt … Regen, nasse Dächer, Wind …«
    »Und wenn nun unter der Wäsche etwas versteckt wäre?«, fragte ich. »Ich kann Gespräche über das Wetter nicht ausstehen.«
    Er lachte herzlich. »Floskeln«, sagte er. »Tradition. Ein bedingter Reflex aller Zöllner, wenn Sie so wollen.« Er reichte mir ein Blatt festes Papier. »Und hier noch ein bedingter Reflex: Lesen Sie, das ist recht ungewöhnlich, und dann bitte unterschreiben, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
    Ich las. Es war das Einwanderungsgesetz, viersprachig in feinem Kursiv gedruckt. Einwanderung war kategorisch verboten.
    Der Zöllner sah mich an. »Interessant, nicht?«
    »Jedenfalls macht es neugierig«, antwortete ich, während ich den Füller zückte. »Wo soll ich unterschreiben?«
    »Wo und wie es Ihnen beliebt«, sagte der Zöllner. »Meinetwegen quer darüber.«
    Ich unterschrieb den russischen Text quer über der Zeile: »Das Einwanderungsgesetz habe ich zur Kenntnis genommen«.
    »Danke«, sagte der Zöllner und verstaute das Blatt im Schreibtisch. »Praktisch kennen Sie nun alle unsere Gesetze. Und während Ihres Aufenthaltes … Wie lange wollen Sie bleiben?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Das ist im Augenblick schwer zu sagen. Es hängt davon ab, wie die Arbeit vorangeht.«
    »Einen Monat vielleicht?«
    »Ja, wahrscheinlich. Meinetwegen einen Monat.«
    »Und während dieses Monats …« Er beugte sich vor, vermerkte etwas in meinem Pass. »Während dieses Monats brauchen Sie ansonsten keine Gesetze mehr.« Er reichte mir den Pass. »Selbstverständlich können Sie Ihren Aufenthalt bei uns um jedwede Frist verlängern, wenn sich diese in einem vernünftigen Rahmen bewegt. Einstweilen also dreißig Tage. Wenn Sie länger bleiben möchten, gehen Sie am sechzehnten Mai zur Polizei, zahlen einen Dollar … Sie haben doch Dollars?«
    »Ja.«
    »Schön. Wobei es nicht unbedingt ein Dollar sein muss. Wir nehmen jede Währung an. Rubel, Pfund, Cruzeiro …«
    »Cruzeiros habe ich nicht«, sagte ich. »Nur Dollars, Rubel und ein paar englische Pfund. Ist Ihnen damit gedient?«
    »Durchaus. Apropos, damit ich es nicht vergesse: Bitte zahlen Sie neunzig Dollar, zweiundsiebzig Cent.«
    »Sehr gern«, sagte ich. »Und wozu?«
    »Das ist so üblich. Um ein Minimum an Versorgung zu gewährleisten. Zu uns ist noch niemand gekommen, der nicht irgendwelche Bedürfnisse gehabt hätte.«
    Ich blätterte ihm einundneunzig Dollar hin, und er stellte, ohne sich zu setzen, eine Quittung aus. Durch die unbequeme Haltung lief sein Hals himbeerfarben an. Ich schaute mich um. Die weiße Absperrung zog sich quer durch den ganzen Pavillon. Dahinter standen Zöllner, die freundlich lächelten, lachten oder vertrauensvoll etwas erklärten. Davor trippelten ungeduldig die bunt zusammengewürfelten Ankömmlinge, ließen Kofferschlösser schnappen und äugten aufgeregt um sich. Auf der Reise hatten sie noch fieberhaft in Reklameprospekten geblättert, lauthals Pläne geschmiedet, still oder unverhohlen in Vorfreude geschwelgt, und nun brannten sie darauf, die weiße Schranke hinter sich zu lassen – schwärmerische Londoner Kontoristen mit sportlich aussehenden Bräuten, einfache Farmer aus Oklahoma in knalligen Hemden über breiten Shorts und mit Sandalen an den nackten Füßen, Turiner Arbeiter mit rotwangigen Ehefrauen und vielen Kindern, kleine Parteibosse aus Argentinien, finnische Holzfäller mit vorsorglich gelöschten Tabakspfeifen zwischen den Zähnen, italienische Basketballer, iranische Studenten, Gewerkschafter aus Sambia …
    Der Zöllner reichte mir die Quittung und achtundzwanzig Cent Wechselgeld.
    »Damit wären auch schon

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