Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
Sonnendach. Amad ließ mich an einem Tischchen Platz nehmen, stellte den Koffer auf einen Stuhl und ging zur Theke. Hier war es angenehm frisch. Von der Kühltheke her hörte man knackende Geräusche. Auf einem Tablett brachte Amad zwei hohe Gläser und zwei flache Tellerchen, auf denen ölig glänzende Scheibchen lagen.
»Nichts Starkes«, sagte Amad. »Dafür aber kalt.«
»Morgens mag ich auch nichts Starkes.«
Ich nahm mir ein Glas und trank einen Schluck. Es schmeckte sehr gut.
»Einen Schluck, dann ein Scheibchen«, empfahl Amad. »Einen Schluck – ein Scheibchen. So.«
Die Scheibchen knirschten und zergingen im Mund. Doch meiner Meinung nach waren sie überflüssig. Eine Weile blickten wir schweigend auf den Platz. Leise brummend bogen die Busse einer nach dem anderen in die Parkalleen ein. Sie wirkten riesig, entbehrten jedoch nicht einer gewissen Eleganz.
»Dort ist es ziemlich laut«, meinte Amad. »Herrliche Landhäuser gibt es da und Frauen für jeden Geschmack, das Meer ist vor der Tür, aber man hat keine Ruhe. Ich denke, das ist nichts für Sie.«
»Ja«, stimmte ich zu. »Lärm würde mich stören. Auch ich mag keine Badegäste, Amad. Es ist mir ein Gräuel, wenn sich die Leute lautstark amüsieren.«
Amad nickte und legte sich vorsichtig das nächste ölige Scheibchen in den Mund. Ich sah zu, wie er kaute. In seinen Kaubewegungen lag etwas Professionelles, Konzentriertes. Er schluckte und sagte: »Nein, ein synthetisches Produkt ist nie mit einem Naturprodukt zu vergleichen. Es hat einfach nicht diese Geschmacksfülle.« Er verzog die Lippen, schnalzte leise und fuhr fort: »Es gibt zwei vorzügliche Hotels im Stadtzentrum, aber meiner Ansicht nach …«
»Ja, das ist auch nichts«, sagte ich. »Hotel verpflichtet. Und ich habe noch nie gehört, dass jemand im Hotel etwas Vernünftiges geschrieben hätte.«
»Nun, ganz so ist es nicht«, entgegnete Amad. Kritisch betrachtete er das letzte Scheibchen. »Ich habe mal ein Buch gelesen, und darin stand, dass es in einem Hotel verfasst worden sei. Hotel ›Florida‹.«
»Ja«, sagte ich. »Sie haben recht. Aber Ihre Stadt wird doch nicht von Kanonen beschossen.«
»Von Kanonen? Selbstverständlich nicht. Jedenfalls nicht in der Regel.«
»Das habe ich mir gedacht. Es heißt nämlich, dass sich Gutes nur in einem unter Beschuss stehenden Hotel schreiben lässt.«
Amad nahm sich das letzte Scheibchen. »Das ist schwer einzurichten«, sagte er. »Wo soll man heutzutage eine Kanone auftreiben? Außerdem würde das eine Menge Geld kosten. Und das Hotel könnte seine Gäste verlieren.«
»Auch das Hotel ›Florida‹ verlor seinerzeit die Gäste. Hemingway wohnte allein dort.«
»Wer?«
»Hemingway.«
»Aha. Aber das ist doch unendlich lange her! Das war unter den Faschisten! Die Zeiten haben sich geändert, Iwan.«
»Ja«, stimmte ich zu. »In unserer Zeit ist es daher sinnlos, in Hotels zu schreiben.«
»Lassen wir es mit den Hotels gut sein«, schlug Amad vor. »Ich weiß, was Sie brauchen. Sie brauchen eine Pension.« Er holte ein Notizbuch hervor. »Nennen Sie mir Ihre Wünsche, und dann versuchen wir, etwas Passendes zu finden.«
»Eine Pension?«, fragte ich. »Ich weiß nicht. Ich glaube nicht, Amad. Verstehen Sie, ich möchte niemanden kennenlernen, an dessen Bekanntschaft mir nichts liegt. Das ist das eine. Und zum anderen: Wer wohnt in einer Privatpension? Badegäste, denen die Mittel für ein eigenes Ferienhaus fehlen. Auch sie amüsieren sich prächtig, veranstalten Picknicks, Partys und singen lauthals. Nachts spielen sie Banjo. Außerdem schnappen sie sich jeden greifbaren Menschen und zwingen ihn, an einem Wettbewerb für den längsten Kuss teilzunehmen. Und die Hauptsache: Es sind Fremde. Doch mich interessiert Ihr Land, Amad, Ihre Stadt. Ihre Bürger. Ich will Ihnen sagen, was ich brauche: Ich brauche ein behagliches Häuschen mit Garten. Nicht zu weit vom Zentrum entfernt. Eine nicht zu temperamentvolle Familie, eine ehrbare Wirtin zum Beispiel, sehr gerne mit einer jungen Tochter. Verstehen Sie, Amad?«
Amad ging mit den leeren Gläsern zur Theke und kam mit zwei vollen zurück. Sie enthielten nun eine farblose Flüssigkeit, und auf den Tellerchen lagen mikroskopisch kleine, in mehreren Schichten belegte Brote.
»So ein behagliches Häuschen kenne ich«, erklärte Amad. »Die Witwe ist fünfundvierzig, die Tochter zwanzig, der Sohn elf. Trinken wir aus und fahren hin. Ich denke, es wird Ihnen gefallen. Die Miete
Weitere Kostenlose Bücher